Zum Gedenken an einen großen, mutigen Schauspieler, der sich abhebt von denen, die, um der Karriere willen, ihre jüdischen Ehepartner*innen im Stich liessen, sie des minimalen Schutzes einer "privilegierten Mischehe" beraubten, und so der Verfolgung überantworteten.
Der Film- und Theaterstar Joachim Gottschalk *10. April 1904, sein jüdische Frau Meta Wolff und sein Sohn Michael sterben durch Selbstmord. Sie bringen sich durch ausströmendes Gas
um.
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Die Vorgeschichte
Nach dem Abitur fährt Gottschalk, dessen Familie durch die Inflation ihr gesamtes Erspartes verloren hat, zunächst vier Jahre zur See und arbeitet nachdem er sich auf der Schauspielschule schon einen guten Ruf erworben hat, zunächst an einer kleinen Tourneebühne. Danach hat er ein Engagement an der Volksbühne Stuttgart und weiteren Häusern, unter anderem in Halberstadt.
„Es wird schon nicht so schlimm“
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Dort lernt er die jüdische Kollegin Meta Wolff kennen. Sie heiraten 1930, Wolff hat sich aus Liebe zu ihrem Mann evangelisch taufen lassen. Im Februar 1933 kommt Sohn Michael zur Welt. Am 1. August 1933 wird die "Reichstheaterkammer" (RTK) gegründet. Die Mitgliedschaft in der RTK ist Bedingung für die Erlaubnis, als Schauspieler zu arbeiten. Mitglieder können nur „Arier“ sein. Somit darf Meta Wolff nicht mehr als Schauspielerin arbeiten.
Gottschalk selber kann nur weiterarbeiten, da man über seine familiäre Situation den Mantel des Schweigens breitet. Während seines Engagements in Frankfurt muss er 1936, da an einer Städtischen Bühne beschäftigt, einen „Treueschwur auf den Führer“ ablegen. Als „jüdisch Versippter“ braucht er eine „Sonderauftrittserlaubnis des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“. Es hat bereits eine Anfrage der RTK an die Frankfurter Bühnen gegeben, wie lange denn Herr Gottschalk dort unter Vertrag stehe. Antwort: „Der Genannte steht bei uns bis 1941 unter Vertrag“.
Die Schlinge zieht sich zu
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Ende 1937 wird eine Kampagne gegen Gottschalk angezettelt: „Parteigenossen“ und Bevölkerung seien empört, daß der „jüdisch Versippte“ weiter als Schauspieler arbeiten dürfe. Besonders skandalisiert wird ein Auftritt bei den „Gaukulturtagen“ in Hessen-Nassau. Das Frankfurter Schauspielhaus beendet seinen Vertrag. Er geht nach Berlin. Eine Kollegin vermittelt ihm ein Vorstellungsgespräch beim ex-linken Starintendanten Gustaf Gründgens, das jedoch vertagt wird. Gründgens hat, noch aus alten Zeiten, gute Connections zu Göring-Gattin Emmy Sonnemann und darüber schon einigen Kollegen helfen können. Ein ZEIT-Portrait zum hundertsten Geburtstag 2004 läßt anklingen, daß Gründgens möglicherweise in Gottschalk bei beider Paraderollen eine Konkurrenz gesehen haben könnte.
Gottschalk kann ein Engagement bei der Volksbühne antreten und wird in Berlin zum Star. 1938 dreht er auch seinen ersten Film, „Du und Ich“, mit Brigitte Horney, damals schon ein Star, und dem
damals ebenfalls schon als Star etablierten Regisseur Wolfgang Liebeneiner. Partnerin Horney gibt hinterher – in posthum zusammengetragenen Lebenserinnerungen – nur Positives zu Protokoll.
Weitere Filme folgen, darunter den in Libyen gedrehten antibritisch/antiarabischen Film „Aufruhr in Damaskus“, wiederum ist Brigitte Horney an seiner Seite. Der Film wird am 24. Februar
1939 uraufgeführt. Während der Dreharbeiten tobt zu Hause der Mob in der „Reichskristallnacht“ und Meta muß das mit ihrem Kind alleine durchstehen. Der Film bekommt die allerhöchsten Weihen und
wird als "künstlerisch wertvoll" und "staatspolitisch wertvoll" prämiiert. Er zählt übrigens nicht zu den sog. "Vorbehaltsfilmen". Die Inhaltsangabe der Murnau-Stiftung:
Die Handlung spielt im Jahr 1918, Schauplatz ist die syrische Front. Dort hält Hauptmann Schulz mit einer kleinen Truppe ein Fort gegen arabische Wüstenstämme. Er schickt Hauptmann Keller mit einigen Leuten nach Damaskus, denn sie brauchen dringend Lebensmittel. Auf dem Weg retten sie Vera Niemeyer, die auf der Flucht von Arabern gefangen und verschleppt wurde. Keller nimmt sie mit nach Damaskus. Beide spüren ihre Zuneigung füreinander, doch bevor es zu einer Beziehung kommt, muß er an die Front zurück, sie geht als Krankenschwester in ein Lazarett. Das Fort kann nicht mehr gehalten werden, und während Schulz direkt nach Damaskus vorrückt, bezieht Keller mit einem Mann einen Posten, der von den Arabern verlassen wurde. Als Schulz mit seiner Truppe Damaskus erreicht, wird er im Kampf getötet, Keller kann sich durchschlagen und sieht Vera wieder. Noch einmal bittet sie ihn, bei ihr zu bleiben, doch er hat einen Befehl: alle noch kampffähigen Mannschaften vor dem Zugriff der Engländer zu bewahren. Und diesen Befehl führt er aus.
Doch je erfolgreicher Gottschalk wird, desto untragbarer wird für die Nazis seine jüdische Ehefrau und das gemeinsame Kind. Man macht Druck, den man zunehmend steigert. Meta berichtet Freunden,
man habe auch schon an Scheidung gedacht, doch „Jochen versucht vorher alles“.
Meta wird, wie alle Juden, vieler Rechte beraubt, unter Anderem des Rechts, ins Kino gehen zu dürfen. Trotzdem suchen sie heimlich zusammen Vorführungen auf.
Das Ende
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Der Druck auf Gottschalk wächst, man droht ihm damit, ihn an die Front einzuziehen. Schauspieler, sofern als „kriegswichtig“ erachtet, waren vom Kriegsdienst befreit und wurden auf der "Gottbegnadeten-Liste" geführt.
Im April 1941 wird sein letzter Film, „Die schwedische Nachtigall“, uraufgeführt.In dem Film über die unglückliche Liebe des dänischen Märchendichters Hans
Christian Andersen zu der schwedischen Opernsängerin Jenny Lind spielt er, an der Seite von Ilse Werner, die damals ebenfalls ein Star ist, den Andersen.
Angeblich entschließt er sich, zur Premiere, bei der auch Minister Goebbels anwesend sein wird, in Begleitung seiner Ehefrau zu erscheinen. Angeblich sei Goebbels entzückt von Frau Gottschalk gewesen, habe sogar ihre Hand geküsst – um dann hinterher zu erfahren, daß sie Jüdin sei und getobt. Es fragt sich, ob Goebbels über das Privatleben eines so prominenten Schauspielers, dem man ja auch einige „politische“ Filmrollen anvertraut hat, erst so spät und dann durch Zufall erfahren hat…
Eine zweite Geschichte ist die, daß Jud-Süß-Regisseur Veit Harlan von Goebbels die Erlaubnis erbitten wollte, mit Gottschalk die Rolle des Ingenieurs Leitwein in seinem Film „die Goldene Stadt“
zu besetzen. Der Minister weist ihn zurück, er solle Gottschalk sagen, wenn er seine „Chonte“, jiddisch für „Nutte“ dahin schicke, „wo der Pfeffer wächst“, bekomme er die Rolle, sie Geld und
Papiere, und man sei bei der Ausreise behilflich.
Als er, unter Anspielung auf Gottschalks vier Jahre als Seemann, herumsäftelt, der sei wohl, wegen seiner Seefahrt-Erfahrungen, besonders anfällig für die erotischen Tricks „der Jüdinnen“, soll
Harlan Gattin Söderbaum angeblich empört die Teerunde verlassen haben.
Gottschalk lehnt wiederum ab, wird einige Tage später ins Propagandaministerium bestellt und nochmals ultimativ aufgefordert, sich endlich scheiden zu lassen. Wenn er sich jetzt immer noch weigere, werde er eingezogen, und seine Familie nach Theresienstadt deportiert. Seiner Bitte, zusammen mit seiner Familie deportiert zu werden, wird nicht entsprochen.
Als der Deportationsbefehl eintrifft – die ersten Juden wurden am 18. Oktober 1941 deportiert - , sehen die Gottschalks keinen Ausweg mehr und in der Nacht vom 5. auf den 6. November 1941 geben
sie ihrem Sohn Schlaftabletten, die sie auch selbst einnehmen und drehen den Gashahn auf.
Minister Goebbels, der in seinem Tagebuch vermerkt, dieser Freitod sei eine „etwas peinliche Angelegenheit“, verbietet jegliche Nachrufe und jegliche Berichterstattung. Trotzdem spricht sich die Nachricht vom Freitod des Stars per Mundpropaganda herum.
Die Beerdigung, auf der einige couragierte Kolleg*innen und sogar Gustav Gründgens der Familie das letzte Geleit geben, wird von Gestapo-Agenten photographiert.
1947 wird das tragische Schicksal Gottschalks unter dem Titel „Ehe im Schatten“, nach einer Novelle des Gottschalk-Freundes Hans Schweikart mit dem Titel „Es wird schon nicht so schlimm“. Die Hauptrolle spielt Paul Klinger, der auch die Rolle des Ingenieurs Leitwein gespielt hatte, nachdem Gottschalk sie nicht hatte spielen dürfen.