Der 11. September 2001 wird häufig als Tag beworben, an dem sich "alles änderte". Das ist eine sehr eurozentrische - hier schließe ich die USA und Russland ausdrücklich ein! - Perspektive, denn zu diesem Datum, bloß in einem jeweils anderen Jahr hat sich für Menschen in anderen Ländern "alles geändert" ... Davon habe ich mal einiges zusammengestellt. Um nicht mißverstanden zu werden: ich will diesen terroristischen Anschlag nicht klein reden. Es wurden die Leben von 3.000 Menschen ausgelöscht - dessen muß man gedenken, ohne Frage. Doch die Opfer haben es nicht verdient, daß dieser Tag für andere, vollkommen unpassende Zwecke mißbraucht wird: sei es mit dem Kuscheln mit Diktatoren für das angeblich gemeinsame Ziel des "Kampfes gegen den Terror", sei es für antiamerikanische, antisemitische oder islamophobe Verschwörungstheorien.
11. September 1931
Festnahme des Führers des libyschen Widerstands, Omar al-Muchtar, der 20 Jahre den Kampf gegen die italienischen Besatzer angeführt hatte. Als er in einem Gefecht nahe Slonta, einer Stadt im
Nordosten der Cyrenaika verwundet wurde, konnten die Italiener seiner habhaft werden. Zunächst wurde ihm, glaubt man dem Hollywood-Film „der Löwe der Wüste“ von 1982, vom italienischen General
Rodolfo Graziani, über den an anderer Stelle noch zu reden sein wird, freies Geleit mit seiner Familie nach Italien und eine Ehrenrente
angeboten, was er jedoch abgelehnt habe. Dieses angebliche oder tatsächliche Angebot wurde vom Gericht im Kriegsverbrecherprozess gegen Graziani für ihn positiv bewertet. Graziani ist, nach
Mussolini der zweitwichtigste Held der italienischen Faschisten, aber darüber werde ich an anderer Stelle noch ausführlich berichten.
Nach einem drei Tage dauernden Prozess wurde der Muchtar (übersetzt "der Koranlehrer") am 14. September 1931 zum Tod durch den Strang verurteilt und am 16. September 1931 vor den Augen von 10.000 seiner Landsleute im Konzentrationslager Suluq gehängt. Das obige Bild wurde bei seiner Hinrichtung gemacht. Ich habe es aus einer libyschen Facebookgruppe.
11. September 1933
Der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuss hält auf dem Trabrennplatz in Wien den ersten „Generalappell“ der von ihm im Mai des gleichen Jahres gegründeten Vaterländischen Front ab. Er selbst erscheint – obwohl er nur im Ersten Weltkrieg nur der Landwehr angehört hatte, in der Uniform der Kaiserjäger, einer Eliteeinheit. Dort hält er eine programmatische Rede, die als "Trabrennplatzrede" berühmt wurde:
„...Ich wiederhole: Die Zeit des kapitalistischen Systems, die Zeit kapitalistisch-liberalistischer Wirtschaftsordnung ist vorüber, die Zeit marxistischer, materialistischer Volksverführung ist gewesen! Die Zeit der Parteienherrschaft ist vorbei! Wir lehnen Gleichschalterei und Terror ab, wir wollen den sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage, unter starker, autoritärer Führung! “.
Dollfuß gilt als Gallionsfigur des „Austrofaschismus“, der österreichischen katholisch-klerikalen Variante des Faschismus. Er wurde zehn Monate später ermordet und hat im Endergebnis der NSDAP und dem Anschluss mit den Weg geebnet.
11. September 1944
„Darmstädter Brandnacht“: die Royal Air Force entfacht im Rahmen ihrer „morale bombing“ Strategie auch in Darmstadt einen Feuersturm, dem 10.000 Menschen, das sind 10% der Bevölkerung zum Opfer fallen. An der TH Darmstadt wurde die V2 entwickelt, ausserdem verfügte Darmstadt über eine ausgedehnte Chemische Industrie.
11. September 1948
Die neu ernannte erste Botschafterin des Staates Israel, Golda Meierson (Meir), als Golda Mabowitsch 1908 in Kyiv geboren, nimmt an einem Sabbat-Gottesdienst in der Moskauer Synagoge teil. Es kommt zu einer spontanen Demonstration jüdischer Sowjetbürger mit dem Sprechchor "Nächstes Jahr in Jerusalem." Josef Stalin is not amused.
11. September 1973
An diesem Tag stirbt der gewählte Präsident Chiles, Salvador Allende. Nach einer inszenierten Verfassungskrise war für diesen Tag ein Referendum vorgesehen, doch das Militär putschte. Um der
Festnahme zu entgehen, nahm sich Allende am gleichen Tag das Leben. Erst am 30. August 1973 hatte Allende General Augusto Pinochet zum Chef des Generalstabs ernannt.
40 Jahre später wird in Ägypten Muhammad Mursi, wie Allende demokratisch gewählter Präsident, diesen Fehler wiederholen.
Der Sturm auf den Präsidentenpalast wurde angeführt von General Miguel Krasnoff Marchenko, einem Großneffen des 1947 in Moskau hingerichteten zaristischen Generals und Kosakenatamans Pjotr Nikolajewisch Krasnow.
Krasnow hat bereits im Ersten Weltkrieg mit den Deutschen zusammengearbeitet, war dann emigriert und hatte im Zweiten Weltkrieg ein Kosakencorps befehligt. Deswegen wurde er, zusammen mit anderen Kosakenatamanen, so dem Ukrainer Schkuro und dem Deutschen Pannwitz am 16. Januar 1947 in Moskau gehängt.
Als die Lienzer Kosakentragödie, in vollem
Gang war - auch darüber werde ich noch gesondert berichten - lag seine Mutter, Kuban-Kosakin,wie die regimetreue Sängerin und Georgsband-Trägerin Anna Netrebko, im Krankenhaus und brachte
ihren Sohn Michail zur Welt.
Anna Netrebko, hier beim Autogrammschreiben in Wien, zeitlich deutlich vor dem russischen Krim-Abenteuer, mit Georgsband. Im Zweiten Weltkrieg war das
Bändchen das Symbol der Wlassow-Armee. Die Aufschrift "nach Berlin" stand auf den Panzern der Roten Armee, die Kuban-Kosaken kämpften
auf beiden Seiten, jedoch größtenteils in der Wehrmacht. Auf der Brosche sind drei Punkte, das Symbol der rechtsesoterischen, "weißen" Roerich-Bewegung, deren Gründerin, Helena Roerich, 1918 ins Exil ging.
Mutter und Baby wurde somit die Auslieferung an die Sowjets erspart und sie konnten später nach Chile emigrieren, wo aus Baby Michail der General und Geheimdienstchef Brigadier Miguel Krasnoff Marchenko wurde, Leiter auch des Folterzentrums des chilenischen Geheimdienstes DINA, das sich in der berüchtigten "Villa Grimaldi" befand.
Krasnoff Marchenko, der fließend Russisch spricht, wurde 2006 endlich für ein paar Morde, die man ihm sicher nachweisen konnte - insgesamt soll er unmittelbar für eine hoch vierstellige Anzahl von Getöteten und "Verschwundenen" verantwortlich sein - zu 15 Jahren Haft verurteilt. Seitdem hat er in der internationalen Rechten, insbesondere in Russland als Märtyrer Kultstatus. Er sitze in Haft, weil er Chile gedient habe.
2005 wurde den Kosaken durch einen Präsidentenukas Polizeiaufgaben zugewiesen, bzw. wieder zugewiesen, wenn der jetzt "akademische" Kuban-Kosaken-Chor auftritt, sitzen gerne auch Popen und Uniformierte im Publikum. Kinder, die "Katjuscha", das Lied von der Stalinorgel schmettern, sind schwer angesagt.
Ansonsten treibt sich das "Große Don-Heer", dem einst Pjotr Krasnow vorstand auf der Krim und in
Bosnien herum, und auch in der Ostukraine dürfen sie nicht fehlen.
Ja, der 11. September war schon oft ein Tag, der "alles änderte" - nicht nur in New York.