Nicole Mangin, die einzige Frau, die während des 1. Weltkriegs als Sanitätsoffizier in den französischen Streitkräften diente, wird in eine wohlhabende Pariser Familie hineingeboren.
Sie ist eine der ersten Medizinstudentinnen Frankreichs. 1899 heiratet sie und nennt sich fortan Girard-Mangin. Ihr Studium wird kurze Zeit durch die Geburt ihres Sohnes unterbrochen. 1903 wird sie wieder geschieden.
1906 promoviert sie – ebenfalls als eine der ersten Frauen – und das mit Auszeichnung mit dem Thema „poisons cancéreux“, krebserregende Gifte.
Danach widmet sie sich Fragen der Hygiene, besonders der Bekämpfung der Tuberkulose und leitet die französische Delegation bei einem wichtigen Hygiene-Kongress in Wien 1910. 1913 veröffentlicht sie ein Standardwerk über den aktuellen Stand der Hygiene und Tuberkuloseprophylaxe.
Daß seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch in Frankreich der Feminismus an Fahrt aufnimmt, ist für ambitionierte Frauen wie sie sicherlich hilfreich. 1849 hatte die erste Frau, die Amerikanerin Elizabeth Blackwell, als Ärztin promoviert.
„Docteur Girard-Mangin“ publiziert fleissig, und niemand ausserhalb der Fachwelt kann sich vorstellen, daß der Docteur eine Frau ist. Auf die Erkenntnisse „des“ Hygienikers wollen die französischen Streitkräfte nicht verzichten, da man annimmt, daß, wie in den Kriegen unmittelbar zuvor, mehr Soldaten durch Seuchen als durch Waffenwirkung sterben werden.
Somit bekommt Herr Dr. Mangin-Girard, am Arbeitsplatz in einem Lungenheilstätte, am 2. August die Einberufung. Sie klärt den Irrtum zwar auf, leistet dieser Einberufung jedoch Folge und tritt - nach Überwindung nicht unerheblicher Widerstände - ihren Dienst an. Da eine französiche Uniform für Frauen nicht vorgesehen ist, arbeitet man eine britische für sie um.
Durch das „Noria“-System, der permanenten Rotation von frischen Kräften, wird sie genau zum Ausbruch der großen Schlacht in Verdun dorthin versetzt.
Nicole Mangin ist jedoch nicht die erste Ärztin, die sich freiwillig in einen Krieg meldet: die litauische Prinzessin Vera Gedroitz, eine der ersten Frauen aus dem Russischen Reich, die im Ausland die Zulassung zum Studium erhielt, diente im Russisch-Japanischen Krieg 1904/5, erreichte den Dienstgrad Oberst, hatte ihren eigenen Lazarettzug und legte die Grundlagen für die operative Behandlung von Bauchschüssen. Bis dato hatte man derart Verwundete meistens ihrem Schicksal überlassen. Auch in der britischen Armee dienen im Ersten Weltkrieg die ersten Militärärztinnen.
Frisch eingetroffen in Verdun wird sie zunächst in einem Lazarett eingearbeitet, danach betraut man sie mit der Organisation des Sanitätswesens im Verduner Frontabschnitt und der Verantwortung für die abgehenden Lazarettzüge. Ihre ersten Lorbeeren erwirbt sie sich durch die erfolgreiche Bekämpfung einer Typhusepidemie 1915 im Gebiet von Verdun und Argonne.
Sie erlebt die am 21. Februar beginnende deutsche Offensive mit, die auf beiden Seiten einen hohen Blutzoll fordert.
Dezember 1916 wird sie zum médécin-major, Oberstabsarzt befördert und zur Leiterin der Edith-Cavell-Schwesternschule in Paris berufen. Sie wird Gründungsmitglied der internationalen Krebsgesellschaft.
Am 6. Juni 1919 nimmt sie sich, 41-jährig das Leben, kriegstraumatisiert und überarbeitet. Die seelischen Kriegsverletzungen wurden zu dieser Zeit schon bei Männern nicht bemerkt, bei ihr, einer Frau, schiebt man alles auf weibliche "Schwermut" - bis es zu spät ist und man sie tot in ihrem Zimmer findet.
Die Feministinnen Frankreichs sind infolge einer 2011 über sie erschienenen Biografie gerade dabei, sie neu zu entdecken.