Josef Stalin wird 70 und die ganze sozialistische Welt gratuliert. Es kommen auch viele nach Moskau, die sich später mit der Sowjetunion entzweien werden, so auch Mao Tse-tung. Der Geburtstag wird als Massenereignis gefeiert. Auch aus dem Westen treffen Glückwünsche und Geschenke ein.
Die Gefolgschaft feiert ein wenig auch sich selber.
Kulturwissenschaftler und Historiker sehen in den Events den definitiven Beginn des Personenkults um ihn. Alle Delegationen kamen mit Geschenken, so die polnische Delegation mit einem riesigen Porzellanteller. Der Stalinkult sollte noch wesentlich weiter geführt werden. Man nahm den Geburtstag zum Anlass, die Umbenennung von Straßen, Städten und Gebirgen zu planen, genauso wie die Massenproduktion von Stalin-Büsten.
Bildnachweis: eigenes Archiv. Stalin-Totenmaske, Stalin-Museum Gori
Stalin-Kult in der DDR
Auch die DDR war, was den Stalin-Kult betrifft, gut dabei - der Autor Hans-Friedrich Bergmann berichtet:
Schon im November, zum 32. Jahrestag der 'Großen Sozialistischen Oktoberrevolution' wurden wir in der Märkischen Volksstimme darauf vorbereitet, welch ein großartiges Ereignis der 70. Geburtstag des großen Führers der Sowjetunion, Josef Wissarionowitsch Stalin für uns Deutsche sei. Ein Titel der Märkischen Volksstimme lautete: 'Feste Freundschaft zur Sowjetunion sichert die Existenz der DDR'. ...
Anfang Dezember war in allen Zeitungen zu lesen, dass die provisorische Regierung der
Deutschen Demokratischen Republik unter dem Titel: 'Freundschaft für immer mit Stalin' folgenden Aufruf erlassen hatte:
'Am 21. Dezember begeht Generalissimus Stalin, der Führer der Völker der Sowjetunion, der
bedeutendste Staatsmann unserer Zeit, seinen 70. Geburtstag. An diesem Festtag nehmen alle friedliebenden und nationalbewussten Deutschen mit besonders herzlichen Gefühlen Anteil, denn kein
ausländischer Staatsmann hat in der Vergangenheit und Gegenwart so die Interessen des Deutschen Volkes wahrgenommen und verteidigt wie Generalissimus Stalin.' ... Der "Freie Deutsche Gewerkschaftsbund" (FDGB) des Landes beschloss ein Stalin- Aufgebot für die Zeit vom
7. November bis 21. Dezember. Die Werktätigen sollten sich zu Ehren des 70. Geburtstages Stalins zu hohen und höchsten Arbeitsleistungen verpflichten. Berichtet wurde dann von 14.000 Kumpeln im
Senftenberger Revier, die im Stalinaufgebot standen, im Kunstseidewerk Premnitz gab es eine Stalinbrigade, ein Stalinaufgebot gab es ebenfalls bei der Gewerkschaft der Eisenbahner, überall
Stalinaufgebote, Stalin, Stalin. Als "Festgabe für Stalin" schlug der FDGB vor, dass jeder Werktätige eine freiwillige Stunde als Geschenk für Stalin arbeiten sollte. Mit dem so erwirtschafteten
Geld will das Deutsche Volk Geschenke für den großen Führer der Sowjetunion kaufen. "
Für's Protokoll: "nationalbewusste Deutsche"...
Danksagung
Neigt euch vor ihm in ewigem Gedenken!
O sag auch du, mein Deutschland, Stalin Dank.
Er kam, ein neues Leben dir zu schenken,
Als schon dein Land in blut´gem Schutt versank.
Er kam, aus deiner Not dich zu erretten,
Wo immer neues wächst, gedenke sein.
Hochhäuser ragen über Trümmerstätten
Und ihr Willkommen lädt uns herzlich ein.
Dort wird er sein, wo sich von ihm die Fluten
Des Rheins erzählen und der Kölner Dom.
Dort wird er sein in allem Schönen, Guten,
Auf jedem Berg, an jedem deutschen Strom,
Allüberall, wo wir zu denken lernen
Und wo man einen Lehrsatz streng beweist.
Vergleichen wir die Genien mit den Sternen,
So glänzt als hellster der, der Stalin heißt…
Dort wirst du, Stalin, stehn, in voller Blüte
Der Apfelbäume an dem Bodensee,
Und durch den Schwarzwald wandert seine Güte,
Und winkt zu sich heran ein scheues Reh.
Bildnachweis: wikipedia
Diese Perle deutscher Dichtkunst, von Johannes R.Becher zu Stalins Todestag verfasst, wollte ich Euch einfach nicht vorenthalten. Runtergefischt von der Seite eines verspäteten Stalin-Liebhabers ... Und daß Stalin sogar Rehe zu sich rufen konnte, finde ich einfach priceless...
Es gab natürlich noch viel mehr Unterwerfungsgesten: Die (Ost-) Berliner Stalin-Allee, die mittlerweile wieder Frankfurter/Karl-Marx-Allee heisst, Stalinstadt (heisst jetzt wieder Eisenhüttenstadt), oder die "für eine glückliche Kindheit" dankbaren Kleinen, wie auf dem nebenstehenden Bild Engelsina Markizowa, das Töchterchen eines burjatischen Funktionärs, der nur ein Jahr später als "japanischer Spion" erschossen wurde.
Stalin selber wurde, auch auf der großen Geburtstagsfeier im Bolschoi-Theater als "Väterchen" und Freund der Kinder inszeniert.
Und auch Ernst Busch war sich nicht zu schade,Elogen auf Stalin zu singen, hier ist das, was er ein Jahr später, zu Stalins 71. Geburtstag zu Gehör brachte:
Bildnachweis: strangehistory.net
Der nicht geglückte Versuch der Entstalinisierung und Entsorgung
1956 rechnete Nikita Chruschtschow in seiner berühmten "Geheimrede" mit Stalin ab. Als ich selber 1998 in Georgien war und Gori besuchte, konnte ich feststellen, daß Stalin dort immer noch hoch im Kurs stand, hielt das aber für georgische Folklore. In vielen georgischen Häusern stand ein Stalin-Bild in der sogenannten "schönen Ecke", красивый угол - krassivij ugol, was sich unter den Bolschewiken dann sehr leicht in Красный угол - krasnij ugol, die "rote Ecke" umwandeln ließ. Die ganzen Geschenke, einschließlich des großen Porzellantellers der polnischen KP wanderten in das Stalin-Museum in Stalins Geburtsort Gori. Dort konnte ich sie dann 1998 bewundern, als ich das Museum, zusammen mit zwei polnischen Kameraden bewundern konnte. Die obige Totenmaske stammt aus dem Stalin-Museum in Gori, das, trotz mehrfacher Versuche, offensichtlich kein neues Konzept bekommen hat, sondern noch immer mit Stalins Devotionalien Stalin abfeiert. Die seinerzeit vor dem Rathaus stehende große Statue wurde 2010 entfernt, doch es gibt Bestrebungen, sie wieder aufzustellen. Meinen polnischen Kameraden war es damals ein Bedürfnis, sich vor dieser Statue fotografieren zu lassen, um zu dokumentieren, daß diese Zeit wohl überwunden sei - ein Irrtum...
Das Revival
Donezk, das bis 1961 "Stalino" hieß, hat das Stalin-Revival längst vollzogen. In der Innenstadt wurden drei große Stalin-Portraits installiert, was viele aus der Bevölkerung anscheinend gut finden. Hier ist das Video dazu. Putin verteidigt nicht nur den Hitler-Stalin-Pakt, sondern bewirft, in klassischer Täter-Opfer-Umkehr die Polen mit Dreck. Auch in den Schulbüchern und Grundlagentexten soll Stalins Wirken, auch sein eklatantes Versagen im Vorlauf zum Zweiten Weltkrieg wesentlich positiver gezeichnet werden. Die Rede vom 3. Juli 1941, von der der verlinkte Artikel berichtet, hielt Stalin, nachdem er sich zunächst, als ihn die Nachricht vom deutschen Überfall erreichte, auf seine Datscha bei Kunzewo verzogen hatte. Den Menschen der Sowjetunion, die in der Tat die Hauptlast des Kampfes getragen haben, wäre viel erspart geblieben, hätte man ihnen Stalin erspart. Doch mittlerweile wird in Russland bestraft, wer Stalin (zu) kritisch sieht und die Geschichte wieder umgeschrieben, was an der umgewidmeten Gulag-Gedenkstätte Perm-36 besonders augenfällig zu erkennen ist. Und ja, die ersten deutschen Stalin-Fans sind auch schon unter ihrem Stein hervorgekrochen. Auf ein Becher-Gedicht 2.0 darf gewartet werden.