Im Oktober 2010 hatten mein guter Freund Huib Riethof und ich uns aus aktuellem Anlass mit den Parlamentswahlen in den Niederlanden beschäftigt. Diese Neuwahlen führten im Endergebnis zu einer von der Wilders-Partei (PVV) tolerierten Minderheitsregierung aus der "rechtsliberalen" VVD und den Christdemokraten (CDA). 2012 wurde eine weitere Neuwahl fällig. Der Stimmanteil der Wilders-Partei - die die Neuwahl durch Ihren Rückzug provoziert hatte, sank wieder deutlich - doch das Land hatte sich verändert. Genau das haben wir in Deutschland zu erwarten. Und genau wie in den Niederlanden werden die Volksparteien einen hohen Preis bezahlen.
Einige haben es schon begriffen
Nämlich, daß die anderen Parteien sich der AfD-Themen bedienen werden, die die AfD vorgibt, oder bei denen sie vorgibt, wie diese Themen denn zu behandeln seien. In einem Portrait der AfD in seiner Ausgabe von dieser Woche, überschrieben mit "Die Angstmacher" schließt der "Stern" mit:
"Angela Merkel deutete bereits einen Tag nach der Wahl an, daß ihre Partei Themen der AfD aufgreifen will, gerade in der inneren Sicherheit. Sie wolle, sagt sie, 'die Möglichkeiten einer Protestpartei einschränken'."
Der "Stern" kommt zu dem Schluss:
"Man sieht, die AfD regiert noch nicht. Aber sie wirkt schon".
Was aber den Meisten noch nicht so klar zu sein scheint: eine Partei, die sich von Rechtspopulisten/-extremisten vor sich hertreiben lässt, drastisch verlieren wird. Die SPD teilt mittlerweile zwar das Schicksal der niederländischen Christdemokraten, wie weiter unten noch gezeigt wird, und das ihrer britischen Schwesterpartei, aber ich denke nicht, daß doch jemand was begriffen hat. Und auch die beiden Gerupften der CDU, Julia Klöckner und Guido Wolf, sind für ihre Illoyalität zwar mit dem Verlust des - zumindest im Falle Klöckner - schon sicher geglauben Wahlsieg bestraft worden, aber ansonsten weich abgefedert: für Wolf zeichnet sich im Ländle bereits eine Juniorpartnerschaft in einer von den Grünen geführten Regierung ab, sicherlich mit einem Ministerposten in einen Schlüsselressort, und wer weiß, vielleicht wird das ja auch etwas in Rheinland-Pfalz mit einer GroKo. Dann sollte Malu Dreyer sich aber mal sehr genau anschauen, wie das war, mit dem "Plan A2" - und Winfried Kretschmann natürlich auch. Mit dem "Plan A2", aufgelegt von Klöckner, mitgetragen von Wolf, wurde dem in der Union größten Gegner von Merkel, Horst Seehofer in die Hände gespielt und - erfolglos - versucht, Angela Merkel zu schwächen. "Der Wähler" hat das jedoch nicht honoriert, honoriert hat er diejenigen, die hinter Angela Merkel standen, Malu Dreyer und Winfried Kretschmann. Das Dumme dabei: die sind nicht in der CDU...
Der politische und menschliche Preis
Die Ergebnisse der niederländischen Wahlen, das politische Taktieren und das langsame Verblassen einer einstmaligen Volkspartei - unsere Serie 2010 beschäftigte sich schwerpunktmässig mit den Christdemokraten, doch in einigen Ländern hat es mittlerweile auch sozialdemokratische Parteien getroffen, wie Labour in Großbritannien (so bereits 2004, bei einer Wahl, die ebenfalls als Protestwahl apostrophiert wurde, 2006, 2007 und 2010, bis hin zur absoluten Mehrheit für die Konservativen 2015 und einer zweistellig im Unterhaus sitzenden UKIP. die bei den Europawahlen 2014 mit 28% ihr bislang bestes Ergebnis erreichte), oder die Sozialisten in Frankreich, die bislang noch mit François Hollande den Präsidenten stellen der sich allerdings mittlerweile nicht nur vom Front National, sondern auch von Nicholas Sarkozy und seiner mittlerweile umbenannten Partei nicht nur in Fragen der Inneren Sicherheit vor sich hertreiben lässt. In Frankreich griff auch Hollande "Themen auf", und mittlerweile sind die Bürgerrechte der Franzosen und Französinnen massiv eingeschränkt.Dafür opferte Hollande seine beste Ministerin, Christiane Taubira, formal zwar zurückgetreten, de facto aber aus dem Kabinett gemobbt. An Taubira kann deutlich gemacht werden, daß die Hereinnahme rechtspopulistischer Kräfte und Inhalte auch immer bedeutet, progressive Kräfte und Inhalte fallen zu lassen. Taubira hatte drei, jetzt nach ihr benannte Gesetze durchgebracht, die das gesellschaftliche Klima in Frankreich nachhaltig verändert haben: 2001 das Gesetz zur Anerkennung der - durch Frankreich praktizierten - Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, 2013 die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, 2014 eine Strafrechtsreform. Sarkozy hatte ihren Kopf als Preis für seine Unterstützung gefordert.
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Rechte Ikonen uns solche, die es werden wollen
Unser Augenmerk war 2010 auf Wilders gerichtet, da er nicht nur in den Niederlanden, sondern auch hier in Deutschland als Gallionsfigur der "Islamkritiker" gehyped wurde. Anlass für die damalige Serie (hier, hier und hier) war ein Besuch von Wilders in Berlin auf Einladung von ex-CDU-Mann René Stadtkewitz, der eine Woche zuvor die rassistische Kleinstpartei "Die Freiheit" aus der Taufe gehoben hatte, die mittlerweile zu großen Teilen in der AfD aufgegangen sein soll. Mittlerweile ist Wilders auch bei PEGIDA, die aus meiner Sicht immer anbuchstabieren, was die AfD dann ausbuchstabiert, aufgetreten, im April 2015 zusammen mit Vordenker Götz Kubitschek und Vorrednerin Tatjana Festerling. Alle drei sind in diesem Video zu sehen.
Den Teil über die Funktion des Deutschlandbesuchs für die "islamkritische" Szene und für Stadtkewitz habe ich damals mit folgenden Worten abgeschlossen:
Gleichzeitig soll Stadtkewitz einen Einbruch in die Reihen der Christdemokraten einleiten - wie er in den Niederlanden bereits geglückt ist.
Mittlerweile ist dieser Einbruch auch in Deutschland geglückt.
Fortsetzung folgt.