Der grandiose Sieg von Jamala beim ESC kam zur rechten Zeit. Russland zieht die Unterdrückungsschraube auf der Krim an. Morgen jährt sich der Tag der völkermörderischen Deportation, die Jamala mit ihrem Siegeslied besungen hat, zum 72. Mal. Der traurige Höhepunkt einer Eskalationsspirale der Unterdrückung: Sie dürfen morgen, am Jahrestag ihrer Toten und ihrer Leiden nicht gedenken! Die Journalistin Halya Coynash von der Kharkiv Human Right Protection Group (KHPG) schreibt dazu:
Der regionale Mejlis der Krimtataren oder andere Körperschaften der Selbstverwaltung werden an jedweder Gedenkveranstaltung zum 72. Jahrestag der Deportation des gesamten Volks der Krimtataren aus ihrer Heimat 1944 gehindert. Die Eskalation der Repression in der letzten Zeit nährt die Furcht, daß Russland versuchen könnte, Schwierigkeiten zu provozieren, um diese dann blutig niederzuschlagen.
Die Weigerungen, solche Gedenkveranstaltungen zu erlauben, war vorhersehbar und nicht speziell auf das international verurteilte Verbot der Vertretung der Krimtataren, des Medschlis, zurückzuführen. (Das "oberste Gericht der Krim" hat den Medschlis am 26.4.16 als "extremistisch" eingestuft und offiziell verboten, dies wurde mittlerweile vom Europäischen Parlament verurteilt und Russland aufgefordert, dieses Verbot zu widerrufen. DS)
Dies ist nun der dritte Jahrestag der 1944er Deportationen seit Russland auf die Krim einmarschiert ist und sie annektiert hat. Es ist deswegen auch das dritte mal, daß die Krimtataren sich Verboten und Schikanen gegenübersehen, weil sie Stalins Verbrechen gedenken. Diese Verbrechen hat die Ukraine als Genozid-Akt anerkannt.
Zweifellos wird es offizielle Zeremonien geben. Refat Chubarow, das verbannte Oberhaupt des Medschlis, schreibt, daß die Besatzungsmacht jegliche Anstrengung unternehmen wird, damit die Krimtataren an diesen teilnehmen...
Der Medschlis empfiehlt seinen Landsleuten deswegen, sie mögen sich um 11:45 an Gedenktafeln oder-steinen versammeln und der Opfer der Deportation gedenken - sei es in ihrem Wohngebiet, sei es an anderen Orten, die mit der Deportation in Verbindung stehen. Für die, die während der Deportation und im Exil gestorben sind, wird gebetet.
Um genau 12:00 wird die gesamte Ukraine eine Schweigeminute einhalten. Alle ukrainischen Fernsehkanäle und Radiostationen werden zum Gedenken an die Opfer des Völkermords am Krimtatarischen Volk ein spezielles Signal aussenden.
Alle Autobesitzer werden, nach dieser Schweigeminute, ihre Hupen betätigen.
Es wird viele andere Gedenkveranstaltungen, sowie Trauergottesdienste und andere Events in der gesamten Ukraine geben. Ausschließlich die russische Besatzungsmacht auf der Krim hat das Gedenken konsequent verboten.
Seit Russland und seine Staatsanwalts-Marionette (Natalja Poklonskaja. DS) mit verschiedenen Behauptungen ankamen, die - um das kürzlich erteilte Verbot des Medschlis zu rechtfertigen - dem Medschlis der Krimtataren "Extremismus" unterstellten, ist es wichtig, nocheinmal festzuhalten, daß die Unterdrückungsmaßnahmen begannen, sobald Russland verstanden hatte, daß die überwältigende Mehrheit des Medschlis und der Krimtataren Gegner der russischen Besatzung sind und unnachgiebig (darauf bestehen), daß ihre Heimat Teil der Ukraine ist. Binnen zweier Monate wurde der Veteran und Anführer der Krimtataren, Mustafa Dschemiliew aus seiner Heimat verbannt. Kurz darauf verbot die Besatzungsmacbt jegliche Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag der Deportation. Sonst hatten sich traditionell immer um die 50.000 Krimtataren auf dem zentralen Platz in Simferopol versammelt und es gab Gedenkveranstaltungen auch in anderen Teilen der Halbinsel. All dies wurde verboten. Refat Tschubarow hat dazu erklärt:
Könnt Ihr Euch das vorstellen? Es gibt auf der Krim 22 Regionen und in jeder Region gibt es Orte, an denen Menschen zusammenkommen, die Toten zu ehren, Orte mit Gedenksteinen! Und am 17. und 18. Mai haben die Krimtataren nicht das Recht, dort hinzugehen und ihren Respekt zu erweisen, um diese Menschen zu ehren!
Ich weiß nicht, was für eine Art Mensch man sein muß, um die Konsequenzen nicht zu bedenken. Ich weiß es nicht, wie man Menschen anhalten kann, damit sie nicht dorthin gehen. Es ist, als würde man jedem sagen: geht nicht zu Euren heiligen Stätten, besucht Eure Toten nicht. Wenn es Dir verboten würde - was würdest Du tun? Gewalt kann alles stoppen - oder eben nicht. Den menschlichen Geist kann sie nicht stoppen."
Die gleichen Verbote wurden am Abend des Jahrestags im letzten Jahr verhängt, genau wie Visitationen bei den Führern des Medschlis und anderen prominenten Gestalten durch das sogenannte Zentrum gegen Extremismus oder die "Generalstaatsanwältin", die effektiv für jeden Versuch, Gedenkveranstaltungen zu organisieren, Konsequenzen androhte.
Am 18. Mai letzten Jahres wurden einige Krimtataren festgenommen, andere wurden später mittels fabrizierter Anklagen verfolgt.
Doch es gab auch bewegende Akte der Solidarität. Der ukrainische Aktivist Leonid Kusmin, der einer der Empfänger der Warnungen der Generalstaatsanwältin war, sowie andere Mitglieder des neu gegründeten Ukrainischen Kulturzentrums, hatten ein Video produziert, in dem sie die Hymne der Krimtataren rezitierten. Sie legten auch in Stacheldraht eingewickelte Blumen an einer neuen Gedenktafel für Josef Stalin nieder, den blutigen Sowjetdiktator.
Bitte, schließen Sie sich allen Krimtatar*innen und anderen Ukrainer*innen zu einer Schweigeminute für die Opfer der Deportationen an. Morgen, am 18. Mai 12.00 Krimer/Kiewer Zeit (= 11:00 deutscher Zeit).
Die Krimtatar*innen brauchen verzweifelt unsere Solidarität und unsere Stimme gegen die Unterdrückung unter russischer Besatzung!