Als ex- (mehr als dreissig Jahre) Raucherin kann ich da mitreden. Seit dem 20. Mai sind also Schockbilder auf Zigarettenpackungen Pflicht. Für mich einfach nur verlogene, moralinsaure Symbolpolitik. - Wahrlich kein Wunder, daß für viele "political correctness" ein Schimpfwort ist...
Zuerst hatte ich mir ja überlegt, hier auch ein Schockbild zu posten, aber dann habe ich mich für meine damalige Lieblingszigarette entschieden.
Und so leset die Geschichte meiner Raucherkarriere und wie ich es mir abgewöhnt habe. Ein militanter Nichtraucher bin ich bis heute nicht.
Wann habe ich angefangen...
Eigentlich habe ich schon vor meiner Geburt mit dem Rauchen angefangen. Meine Mutter hat nämlich, wie mein Vater mal vorwurfsvoll vermerkte, auch während ihrer Schwangerschaft geraucht.
So "richtig" angefangen habe ich mit 14, also zu Zeiten der '68er. Man kam, mit "Selbstgedrehten", Roth-Händle oder Gauloises so schön links und weltoffen rüber. Zuerst versuchten meine Eltern meine Raucherei zu verhindern, doch zwei Kettenraucher haben da halt nicht die rechte Glaubwürdigkeit. Letztendlich war ihnen das dann wohl auch klar und sie gaben auf. Mein Vater unternahm noch einen letzten Versuch, bemaß mein Taschengeld so knapp, daß ich eingentlich hätte wählen müssen: Zigaretten oder Kino. Eigentlich... Ich entwickelte im Beklauen meiner Eltern so etwas wie Geschicklichkeit. Wobei es meistens meinen Vater traf, dessen angebrochene REVAL-Packungen überall in der Wohnung herumflogen. Meine Mutter hatte immer nur eine Schachtel, ERNTE 23 in Betrieb. Da war das Klauen schon schwieriger. Und wenn garnichst mehr half: Oma.
Unsere Lehrer*innen wollten uns zu "jungen Damen" erziehen: keine zu dicke Schminke, keine zu kurzen Röcke, keine zu radikalen Ansichten und - nicht rauchen! Diese Prinzipien, glaube ich, stammte bei vielen noch iaus dem Dritten Reich: die deutsche Frau raucht und trinkt nicht! Überall wurde geraucht. Nicht rauchen galt als spießig und verschroben, rauchen war sexy. Und rauchen ohne Filter galt irgendwie als links, und gar selbstgedrehte ... die waren darüberhinaus natürlich auch wesentlich preiswerter.
Meine Verwandtschaft in den Niederlanden rauchte auch und meine liebe Großtante rauchte Kette. Somit durfte ich, wann immer ich in Amsterdam zu Besuch war, durfte ich rauchen. Alle Frauen, die ich kannte, rauchten Van Nelle halfzware shag, ich natürlich die "zware" Variante.
Als ich einen Ferienjob bei EMI-Electrola ergatterte und für vier Wochen die Sekretärin des Einkaufschefs vertreten durfte, gehörte dazu nicht nur das Privileg, nicht in die Kantine zu müssen, sondern auch die Berechtigung "Bewirtung" zu bestellen, falls sich in der Chefetage wichtige Besucher angesagt hatten, z.B. Stars, die zur EMI wechseln wollten. Da die Firma allerdings so schlau war, Zigarettenbestellungen von der Bewirtung auszunehmen. Martinez-Zigarren gingen aber. Somit rauchte ich Martinez-Zigarren. Auf Lunge.
Die ersten Schockbilder
Meinen verpflichtenden Krankenpflegedienst habe ich in einer HNO-Uniklinik gemacht. Einer der Profs erschien zur Visite immer mit brennender Zigarre. Draußen vor die Türe des jeweiligen Krankenzimmers wurde eine Schülerin mit einem Aschenbecher postiert, damit der Herr Professor nicht mit Zigarre ins Krankenzimmer musste. Diejenige Operation, die am meisten vorkam, war die Entfernung des Kehlkopfes wegen Krebs. Alle hatten "eine Raucheranamnese". Damals lagen die Männer 9:1 in Führung. Noch. Eine aktuelle Zahl habe ich nicht gefunden.
Und diese Leute rauchten mehrheitlich weiter; über den Mund für den Geschmack, und - sobald das Tracheostoma, die Öffnung der Luftröhre nach aussen, verheilt war, wurde darüber inhaliert. Vom Rauchen hat mich das nicht abgehalten.
Raucherbeine
In meiner chirurgischen Ausbildung war ich dann mit Raucherbeinen konfrontiert und einige durfte ich auch selber abnehmen - nachdem ein Versuch, die Haupt-Beinarterie zu reparieren, gescheitert war. Damals hatte man sich gerade dazu durchgerungen, den Patienten eine "Salamitaktik" zu ersparen und immer gleich im Oberschenkel zu amputieren.
Ein Bein weg, und die Patienten rauchten weiter und nach einigen Monaten bis Jahren war dann das zweite Bein "dran". Hier ein Bild eines Doppelamputierten zu posten, verkneife ich mir. Das makaberste, das ich erlebt habe, war, als der Chefarzt mal einen Konflikt auf meiner Station lösen musste: ein Doppelamputierter wollte unbedingt rauchen, was die Schwestern ihm natürlich untersagten. Ich als Stationsärztn stellte mich natürlich hinter die Schwestern, der Chefarzt jedoch wies an, den Patienten in den Besucher-Aufenthaltsraum zu fahren; was bitte wir denn bei dem noch retten wollten. Von den Schwestern rauchte die Mehrzahl auch, in der Ambulanz quoll im Vorraum der Aschenbecher über... Uns schreckten auch die Schreckensbilder unserer Patienten nicht.
Der Herr Chefarzt selber wurde nie ohne Zigarette gesehen, trat sogar während der Op ab und überließ während der Zigarettenpause dem Oberarzt das Feld. Es ging die Fama, er komme pro Tag auf über 100 Zigaretten. Ein anderer meiner chirurgischen Chefs erschien, falls um Rat gefragt, mit brennender Zigarre im Op.
Da fand ich mich mit zwei bis drei Packungen Roth-Händle doch vollkommen durchschnittlich. "Rauchen ist Willenssache und ich will rauchen...".
Im Einsatz in Georgien lernte ich dann russische Papyrossi schätzen; die ich von meinen russischen Kumpeln reichlich geschenkt bekam. Gehörte für die zur Truppenverpflegung. Einen großen Sack hab ich noch mit nach Hause geschleppt.
Rauchfrei at last ...
Schockbilder haben mich jedenfalles nie vom Rauchen abgehalten. Letztendlich hatte ich es doch mehrfach versucht, doch nie geschafft, bis ich auf ein Internet-Forum des "stern" stieß. Der "stern"-Journalist, der das initiiert hatte, wurde später mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.
So langsam wandelte sich auch das Image von Rauchern: heute gilt das Rauchen als etwas, das nur noch besonders Willenlose und "die Unterschicht" machten. Wenn das Rauchen jetzt so ein Proll-Image hat - nicht schlecht. Das verdirbt bestimmt einigen den Appetit auf die Zigarette.
Und wie gewöhnt man den Leuten das Rauchen ab?
Überhaupt nicht. Jedenfalls nicht mit Schockbildchen, auch nicht nach dem Brimborium, das die EU jetzt veranstaltet hat, um die 42 Siegerbildchen zu finden, wie der "stern" in dieser Woche berichtet. Zunächst sollen 15 Bilder verwandt werden, die nach einem Jahr ausgetauscht werden sollen.
Der stern zitiert einen Wissenschaftler:
"Der Gewöhnungseffekt setzt bei einem Raucher,der schnell 20-mal am Tag zur Packung greift, schon nach ein paar Tagen ein. Statt jedes Jahr müssten die Bilder mindestens monatlich getauscht werden."
Und kommt zu dem Schluss:
"Und so wundert es nicht, dass selbst die EU den Effekt ihrer neuen Tabakrichtilinie nicht sehr hoch einschätzt. Die Beamten erwarten einen Rückgang des Zigarettenkonsums von gerade mal zwei Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre."
Eben. Symbolpolitik. Die EU vermeidet strikt, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, die wirklich etwas bringen würden. Ich meine, mich daran zu erinnern, daß unter Rot-Grün sogar mal ein Werbeverbot für Tabakwaren so ziemlich eingestampft wurde.
Man gewöhnt niemanden das Rauchen, oder ein sonstiges Risikoverhalten ab, der das nicht will ändern. Das geht jedoch nicht über "sozialpädagogische"Maßnahmen.
Es gibt sogar einige linke Aktivisten, die es als Sozialrassismus bezeichnen, dieses Fehlverhalten zu thematisieren, da es, wie oben berichtet, ja mehrheitlich die "Unterschicht" betrifft. Gruselphotos sind da nicht hilfreich und lenken von der Arbeit ab, die hier noch zu tun ist. Die Diskussion muss neu eröffnet werden.