Deutsche Welle -  ein fragwürdiger Trip auf die Krim

Quelle: Halya Coynash, Kharkiv Human Rights Protection Group, 6. August 2016

Es sollte auch in den Medien, noch Konsens sein, daß die russische Annexion der Krim völkerrechtswidrig ist. Doch man fragt sich, ob Leiter des Moskauer Büros der  der aus Steuergeldern finan-zierte Deutschen Welle das anders sieht: unter Verstoß gegen ukrainische Gesetze reiste der Leiter des Moskauer Büros, Jurij Rescheto über Russland ein und nahm an einem Propaganda-Trip auf die Krim teil, der sofort propagandistisch ausgeschlachtet wurde, und bei dem er auch durch besonderen Eifer aufgefallen sein soll. Entsprechende – und mittlerweile gelöschte, aber über die wayback-machine noch auffindbare tweets gehen mittlerweile viral. Ist für Herrn Rescheto die Krim jetzt russisch? Es scheint so. Die ukrainische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Halya Coynash deckte das Ganze  auf: auch wenn einige Einzelheiten des Besuchs mittlerweile zwischen DW und Frau Coynash strittig sind: es bleibt, daß Rescheto, der Leiter des MOSKAUER Büros der Deutschen Welle über Russland auf die Krim gereist ist. Das ist ein Verstoß gegen ukrainische Gesetze und die Reisehinweise des AA sind hier auch eindeutig. Ausserdem fragt man sich, warum nicht der Leiter des Kyiver Büros der DW diese Einladung wahrgenommen hat. Hier ist zunächst Halya Coynashs Artikel.

 

Bildnachweis: screenshot aus einem Interview mit Jurij Rescheto. Bildunterschrift: Jurij Rescheto, Leiter des Moskauer Büros der Deutschen Welle.

 

"Wie kann die Deutsche Welle an einem Propaganda-Trip auf die Krim teilnehmen?

Die Verpflichtung der deutschen, öffentlich-rechtlichen 'Deutsche Welle' zur Einhaltung von Recht und Gesetz und unparteiischer Berichterstattung wird sowohl durch die Teilnahme ihrer Journalisten an durch das russische Aussenministerium organisierte Propagandatrips angezweifelt, als auch dadurch, daß in ihren Berichten wichtige Informationen und Worte weggelassen werden, die Russland beleidigen könnten.

Russland verbirgt seine Gründe nicht, warum es Politiker, Journalisten und andere auf die Krim einlädt. Sie sind dort, um den Eindruck zu erwecken, daß die Krim nicht länger isoliert und die russische Annexion der Krim jetz akzeptiert ist. Die pro-russischen Ansichten der meisten Politiker, die bislang an solchen Propagandavisiten teilgenommen haben, sind bekannt. Die Motive der Journalisten, die an der letzten, durch das russische Justizministerium organisierten Reise teilnahmen, ist weniger klar - doch klar ist der Gebrauch, der von ihrer Zustimmung gemacht wird. Denn alle aufgebrachten Kosten sind ein geringer Preis für Schlagzeilen wie diese:

"'Es steht jetzt fest': Westliche Journalisten, die die Krim besuchen, sagen, daß sie jetzt 'Russisches Territorium' ist."

 

Viele Medien lehnen solche Einladungen ab

Eine Anzahl von Medien lehnte es ab, teilzunehmen, und das aus sehr gutem Grund: der Trip wurde durch einen Besatzerstaat organisiert, und die Journalisten reisten nicht über einen ukrainischen Checkpoint ein, wie ein ukrainisches Gesetz das verlangt (und es auch der Beschlusslage der EU und UN entspräche.DS). Die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 27.März 2014 fordert die Staaten auf, nichts zu tun, das den Eindruck erweckt, daß Russlands Landraub in Kraft bleiben wird. Und es gab niemals einen Grund, anzunehmen, daß es möglich sein sollte, daß Journalisten mit denen zusammentreffen könnten, die die russische Okkupation als eine Tragödie betrachten, denen, die wegen politisch motivierter Anklagen im Gefängnis sind, oder auch nur mit ihrem Krimer Kollegen Mykola Semena, der sich einer Verurteilung zu fünf Jahren Gefängnis gegenübersieht, weil er einen Artikel verfasst hat, mit dem er seine Unterstützung der Krim-Blockade zum Ausdruck bringt. Selbst wenn sie versucht hätten, von der offiziellen Linie abzuweichen, hätte es kaum eine Chance gegeben, daß darüber berichtet würde, doch eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß das für Propaganda benutzt würde, unabhängig davon, was wie wirklich gesagt oder geschrieben haben.

Wenn jemand nur nach den russischen Medienberichten urteilt, war der Hauptpunkt der Reise die Brücke über die  Straße von Kertsch, die Russland sich bemüht, zwischen Russland und der Krim zu bauen. Ganz abgesehen davon. daß der Bau der Brücke illegal ist, gibt es auch gewichtige Umweltbedenken gegen diese Brücke. Und das zu berichten, erwartete man von jenen Journalisten nicht, die an dieser Reise teilnahmen, besonders Corey Flintoff vom Zusammenschluss US National Public Radio, Livion Lurea von TV Romania, und Khalid Abdalrahman vom (kurdisch)-irakischen Sender Rudaw waren ausschließlich überschwänglich in ihrem Lobpreis.

 

Zwei Journalisten waren besonders eifrig

Es waren auch zwei Journalisten dabei, deren Dienste weit darüber hinausgingen: die von Jurij Rescheto, dem Leiter des Moskauer Büros der Deutschen Welle und Zhong Hu Sa, dem Leiter des Moskauer Büros des Korean Boadcasting System. Was Letzterer zu sagen hat, erzählte er dem Kreml-Sender RT, nämlich, daß, als er die Leute gefragt habe, ob sie dafür gestimmt hätten, "sich Russland anzuschließen, hätten viele mit "ja" geantwortet. Als man sie gefragt habe, ob sie das bereuten, hätten sie nein gesagt. Und uns sagte man, "es war der Wille des Volkes, sich Russland anzuschließen".

 

 Von Rescheto hört man, daß dies nicht sein erster Aufenthalt auf der Krim sei. Als Korrespondent in Moskau, so versichert er. kann er dorthin kommen und über verschiedene Events berichten. Und er fügt hinzu, ohne Einzelheiten zu nennen, daß er, wenn er auf Einladung des Aussenministeriums komme, Dinge zu sehen bekomme, die er sonst nicht sehen könne und erklärte, sie würden ihm über die guten und die schlechten Dinge berichteten.

Das russische, regierungsfinanzierte RT berichtet, Rescheto habe viel mehr gesagt. Angeblich habe er gesagt: "Die Krim ist nun ein russisches Territorium, ganz gleich, ob wir (der Westen. Hal.) das will oder nicht, und er fügte hinzu, "das ist nun Fakt, das ist eine Tatsache."

Es gibt keine Belege dafür, daß entweder Rescheto oder die Deutsche Welle das bestritten hätten. Der Journalist war dort nicht als Einzelreisender, sondern als Repräsentant von "Deutschlands internationaler Sendeanstalt" , die sich weiterhin in ihrem Mission statement weiterhin beschreibt als ein Deutschlandbild ausstrahlend, das Deutschland beschreibt als eine Nation, verwurzelt in der Kultur Europas verwurzelt, ein liberaler, demokratischer Staat, der auf der Herrschaft des Gesetzes fusst."

Die Herrschaft des Gesetzes erlaubt es Staaten nicht, bewaffnete Kräfte zu entsenden, die die Kontrolle über das Territorium eines anderen Staates zu übernehmen und mit vorgehaltener Waffe die Regierung zu ändern und das dann durch ein  betrügerisches "Referendum" zu versuchen, "bestätigen" zu lassen. Und wer, wenn nicht Deutschland sollte das wissen?

 

Was man hätte berichten können

Am 22. Mai hatte Rescheto einen Artikel mit dem Titel: "Tatars remain resolute in Kremlin-controlled Crimea - Die Tataren auf der vom Kreml kontrollierten Krim bleiben entschlossen.Der Text sagt sicherlich aus, daß einige Krimtataren unglücklich über die "russische Kontrolle" sind. Die militärischen Mittel sind nicht erwähnt, die gebraucht wurden, um diese Kontrolle zu etablieren. Auch nicht erwähnt werden spezifische Fälle politischer Verfolgung, und man hätte da aus vielen wählen können. Mehr als einen Monat zuvor hatte Russland den international anerkannten Medschlis der Krimtataren, die wichtigeste Vertretung der Urbevölkerung der Krim als "extremistisch" verboten.

Der Leiter des Medschlis, Refat Chubarow, wurde, zusammen mit dem Anführer der Krimtataren, Mustafa Dschemiliew, von der Krim verbannt. Der stellvertretende Leiter des Medschlis, Artjom Tschigjoz, ist nun seit 18 Monaten in Haft wegen erdichteter Anklagen über eine Demonstration vor der Annexion und somit ausserhalb der russischen Rechtsprechung. Ein anderer Leiter des Medschlis, Ilmi Ulmerow, wurde formell angeklagt, öffentlich "zu Aktionen aufgerufen zu haben, die die territoriale Integrität Russlands verletzten". So qualifiziert ein Besatzungsregime, Umerows Statement, daß Russdland gezwungen werden muss, die Krim und das Donbas zu verlassen. Und auch nicht erwähnt wurden die bewaffneten Razzien gerade 10 Tage zuvor mit Festnahmen von vierzehn Krimtataren, die man anklagt, Mitglied einer in der Ukraine legalen Organisation zu sein.

Kurz, es gab viel zu sagen, und genau das wurde weggelassen. Es war sogar noch dramatischer, im Nachrichtenbeitrag, den Rescheto nach seiner staatlich geförderten Visite auf der Krim produziert hat. Sie trug den Titel: "Für die Hotels auf der Krim ändern sich die Zeiten", und die Seite erklärt wie folgt, worum es in dem Video geht:

'Der Tourismus boomt in teuren All-inclusive Hotspots, doch die Besitzer kleinerer Hotels haben Schwierigkeiten, ihre Betten zu füllen. Die Krim hat ihre ukrainischen Touristen verloren, nachdem die Grenze geschlossen wurde.'

 

Und was man noch hätte berichten können

Trotz aller Anstrengung durch Russland ist der Tourismus auf der Krim dramatisch gefallen, obwohl sich das aus Reschetos Film nicht erschließt. Doch, was wesentlich wichtiger ist, ist das, was der Bericht der Deutschen Welle nicht für notwendig hält, zu erwähnen: der Absturz im Tourismus liegt nicht nur daran, daß keine Ukrainer mehr kommen. Russland hat mit der Besetzung der ukrainischen Krim Völkerrecht gebrochen und ist dafür unter Sanktionen. Jede bei einem Reisebüro gebuchte oder individuell durchgeführte Reise ohne ukrainische Erlaubnis ist ein Bruch der Sanktionen oder ukrainischer Gesetze.

Es bringt in Moskau keine Punkte, das zu kommentieren. Im Juni 2015 bekam die russische NGO 'Public Control' eine Menge Schwierigkeiten und wurde mit Strafverfolgung bedroht, da sie ein Flugblatt herausgebracht hatte, das die Krim zutreffend als besetztes Gebiet und warnte vor den rechtlichen Auswirkungen jeglicher Reise, die ohne ukrainische Erlaubnis unternommen wird.

Eine höchst fragwürdige polizeiliche Untersuchung wurde nur Monate später gegen den Leiter von Public Control, Michail Anschakow, eingeleitet.

Punktesammeln bei einem Regime, das das Völkerrecht bricht, sollte für keinen Journalisten das Ziel sein, und schon garnicht für einen Journalisten einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, die Deutschland repräsentiert."

Im zweiten Teil wird der Mailwechsel der Deutschen Welle mit Halya Coynash dokumentiert, im dritten Teil die Reaktionen aus Deutschland.