Wer öfters schon Texte von mir gelesen, oder Bilder von mir gesehen hat, weiß, daß ich deutlsch zu klein bin für mein Gewicht, also - nach Garfield - untergrößig. Oder, sagen wir es deutlich: übergewichtig. Und das kommt ganz klar vom - zuviel und zu gut - Essen. Wie jedeR Übergewichtige bin ich auch eine wahre Diätexpertin, ich habe schon zentnerweise abgenommen, aber, so glaube ich, das eigentlich nicht ernsthaft verfolgt. Tief im Inneren wusste ich: "Jedes Pfund ist schön an mir".
Jetzt habe ich die - vorläufige - Quittung: ein Schlafapnoe-Syndrom, und seit dem 24. Apriol habe ich eine Maske und das Gerät für die sog. CPAP-Therapie. Da der ganze Komplex viel zu wenig bekannt ist, dachte ich mir, das ist doch ein gutes Thema. Was das mit Charles Dickens zu tun hat?
Little Fat Joe
Charles Dickens beschreibt in seinem ersten Roman, The Posthumous Papers of the Pickwick Club, kurz: The Pickwick Papers, deutsch: Die Pickwicker, einen Diener, Joe Joseph, genannt "Little Fat Joe" als dick, verfressen, und rotgesichtig und weiß zu berichten, daß Joe im Stehen, oder sogar mitten im Erledigen einer Aufgabe einschlafe. Nach dieser Beschreibung benannte man ein Krankheitsbild, das gekennzeichnet war durch starkes Übergewicht und eingeschränkte Atmung, das Pickwick-Syndrom. Ganz prosaisch: mit zuviel Fett im Bauch ist man mechanisch am ausreichenden Atmen gehindert. Die Beschreibung von "Little Fat Joe" blieb über mehr als ein Jahrhundert die einzig bekannte Beschreibung. Ich vernahm sie mal in irgendeiner Vorlesung, als Kuriosum, und vergaß sie sofort wieder. 36 Berufsjahre habe ich geschafft, ohne mehr darüber zu wissen und wissen zu wollen.
Worüber sprechen wir?
Ich bin nicht die Einzige, die von dieser "schlafbe-zogenen Atemstörung" noch nie was gehört hat. Das ZDF-moma hat es geschafft, am Freitag, den 29.4. ein ganzes Service-Feature über das Schnarchen und Anti-Schnarch-Gadgets zu bringen, ohne auch nur mit einem Wort zu erwähnen, daß das Schnarchen eines der ersten Warnsymptome für eine Schlafapnoe sein kann. Dazu weiter unten genauer.
Ein Schlafapnoesydrom ist durch Atemaussetzer während des Schlafs gekennzeichnet. So ein Atemaussetzer dauert zwischen zehn Sekunden bis zwei Minuten. Der Sauerstoffgehalt im Blut fällt, der Kohlendioxydgehalt steigt. Es kommt zu einer Alarmreaktion, der Patient wacht auf, ohne das allerdings bewusst mitzubekommen und zieht forciert die Luft ein. Das ist als - möglicherweise lauter - Schnarcher wahrzunehmen. Gemessen werden die Atemaussetzer pro Stunde. Das sollten weniger als fünf sein.
Schnarchen kann natürlich auch ohne ein Schlafapnoe-Syndrom auftreten. Ein anderer Hintergrund bleibt dann meistens unentdeckt. Auch so ein Bauch, meistens als "Bierbauch" verharmlost, sollte ein Warnsymptom sein, ist es aber im Regelfall nicht. Weitere Warnsymptome sind ein nicht-erholsamer Schlaf und ausgeprägte Tagesmüdigkeit.
Allerdings sind auch junge und schlanke Leute, sogar Kinder, nicht gefeit.
Ein Schlafapoe-Syndrom zeitigt üble Folgeschäden: Schlaganfall, Bluthochdruck, Übergewicht, Herzrhytmusstörungen, Herzinfarkt, Diabetes, Depressionen, Demenz, Erektionsstörungen.
Bildnachweis: www.codecheck.info
Wie gesagt, das alles sind sehr neue Erkenntnisse. Ich muß schon sehr lange damit zu tun haben, denn schon während meiner Schulzeit bin ich immer schlecht aus dem Bett gekommen. Als ich nach meiner Schulter-Op in der Reha war, kam jemand auf die idee, das bei mir mal abzuchecken, weil ich nur noch müde war, und siehe da: Bingo!
Ich bekam auch relativ schnell einen Termin, während das schon mal, je nach dem, wo man ist, bis zu sieben Monaten dauern soll.
Diagnose
Die definitive Diagnose wird mittels Polysomnographie gestellt, einer Messung von biologischen Werten im Schlaf, im Einzelnen:
- kontinuierliche Ableitung der Hirnströme mittels Elektroenzephalogramm
- Langzeit-EKG
- Elektromyogramm
- Elektrookulogramm (Augenbewegungen)
- Pulsoxymetrie (Sauerstoffsättigung)
- Atemflussmessung nasal und oral
- Atemexkursionen von Thorax und Abdomen (gecopypastet aus Doccheck)
Dazu muss man sich in ein Schlaflabor begeben.
Bildnachweis: slideplayer.fr
Die Versorgung
Wenn der Schlafmediziner einem ein CPAP-Gerät verordnet, muß man sich mit der Krankenkasse auseinandersetzten. Die gesetztlichen Krankenkassen genehmigen eine sog. "Fallpauschale" für Gerät, Schlauch, Maske, Beratung und Wartungsarbeiten/Reparaturen. Links seht Ihr mein Gerät. Allerdings: im Gegensatz zu dem, was so mancher gesetzlich versicherte Neidhammel annimmt, gibt es Privatkrankenkassen, die diese Behandlung überhaupt nicht bezahlen, wenn sie nicht bei Vertragsabschluss vereinbart wurde - was sehr oft bei älteren Verträgen nicht der Fall ist. Dann bleibt dem Patienten nichts anderes übrig, als den ganzen Kram selber zu bezahlen. Beihilfefähig ist die Behandlung allerdings und mein privat verschicherter Anteil wird von der DKV ebenfalls bezahlt. mit der Fallpauschale von 800;-- Euro (nach Abzug des Preises für das Gerät - muss ich fünf Jahre auskommen. Im Prinzip ist das jedes Jahr eine neue Maske und ein neuer Schlauch sowie sämtliche Wartungsarbeiten.
Diese Maske kostet in Deutschland 139;-- bis 149;-- Euro. Reinigungsmittel werden nicht bezahlt. Weil ich, nachdem ich einmal wegen einem kaputtgegangenen Schlauch vor lauter Angst - eine sehr schlechte Nacht hatte, hatte ich - um meine Pauschale nicht zu belasten - beschlossen, mit eine zweite Maske aus England oder den USA zu besorgen, wo sie nur 86,-- Euro kostet und wollte über Amazon.co.uk bestellen. Nachricht: Sorry, wir liefern nicht nach Deutschland. Da blieb mir nichts anderes übrig, als die Maske bei Amazon.de zu bestellen. Direkt beim Hersteller wäre sie noch teurer gewesen.
Bestellt in Deutschland, und woher wurde sie dann geschickt? Richtig! Aus England! Hergestellt wird sie in China. Materialwert aus meiner Sicht unter 10;-- Euro.
Mittlerweile habe ich auch - vorgezogene April-Zuteilung - ein weiteres Modell, das sich mit einer Lesebrille verträgt, kleiner und leichter, falls ich damit mal verreisen will. Dann muss ich in Zukunft nämlich immer den ganzen Brassel mitschleppen. Schon zweimal habe ich deswegen aufs Reisen verzichtet, was natürlich keine Dauerlösung ist.
Wie ich oben bereits beschrieben habe, wußte ich von dem Krankheitsbild überhaupt nichts, bis es mich erwischt hat, und auch jetzt bin ich noch dabei, mich weiter zu informieren. Hilfreich dabei sind Selbsthilfegruppen, im Netz und im wirklichen Leben. Ich bin hier am Ort in einer, bei facebook und noch bei einer amerikanischen, CPAP-talk. Auf einem Thementag der Selbsthilfegruppen war ich mittlerweile auch, was sehr hilfreich war.
Und wie weiter?
Nach Einstellung und Kontrolluntersuchung nach drei Monaten hat man jährlich einen Kontrolltermin: dann wird die Speicherkarte des Geräts ausgelesen. Einges kann man auch selber:
Der Speicher des CPAP-Gerätes kann mit einer Open-Source-Software namens Sleepyhead (=Schlafmütze) ausgelesen werden, und man sieht dann recht schnell, ob alles im grünen Bereich ist, oder ob sich einige Werte unrund entwickeln und könnte dann gegensteuern, z.B., sich einen Termin im Schlafalbor geben lassen.
Es scheint so, daß man jetzt immer mehr Leute rausfischt, die unter einer Schlafapnoe leiden, weswegen man die obenerwähnten Folgeerkrankungen nicht in den Griff bekommt, wenn
man das Grundübel nicht beseitigt.
Mittlerweile habe ich mich auch damit abgefunden, daß ich das Ding, auch nach Abnehmen, wohl nicht mehr loswerde, und das es mich in Zukunft einiges an Organisation kosten wird.
Bei Flugreisen, z.B. muß ich mich rechtzeitig melden, denn das Gerät wird auf Drogen und Sprengstoff untersucht.
Aber mir geht es mittlerweile wirklich besser, und das Gefühl von der Schippe gesprungen zu sein, ist auch was wert. Und noch besser: wenn dieser Artikel auch nur einem die Folgeschäden einer Schlafapnoe erspart.
Bild: mein Protokoll von letzte Nacht