Immer, wenn ein weiblicher Staatsbesuch in Saudi-Arabien aufläuft, sei es, ein Besuch in eigener Funktion, sei es, wie hier als mitreisende Gattin, läuft in den (Sozialen) Medien das gleiche Kopfkino ab: obwohl nichtmuslimische Ausländerinnen in Saudi-Arabien kein Kopftuch tragen müssen, und als Staatsbesuch schon garnicht, wird der immergleiche Spin gedreht: "mutiges" Statement gegen die Frauenunterdrückung, oder so... Das Kopftuch, bzw. die Abwesenheit desselben machte sogleich global Schlagzeilen.
Das Kontrastprogramm kam gleich mit: beim Papst hatten die Trumpinnen ihre Haare bedeckt, wenigstens teilweise. Was die Netzgemeinde, im Gegensatz zum No-Kopftuch in Saudi-Arabien ("Verweigerung des Appeasements für Frauenverächter"), war die Kopfbedeckung im Vatikan natürlich Ausdruck von "Respekt". Womit die Aufmerksamkeit wieder mal ganz wunderbar von dem abgelenkt war, um das es wirklich ging, z.B. ein Waffendeal über mehr als 300 Milliarden.
Bildnachweis: screenshot Arab News.
Wahnvorstellungen
Da wurde Melania, bis dato nur auf ihre "slowenischen Kurven" und
freizügige Garderobe reduziert, und kaum ein Medium kam ohne eine Bilderstrecke mit - mehr oder weniger - freizügigen Kurven von ihr aus. Und jetzt wird aus ihr eine Kämpferin für die
Frauenemanzipation. Birgit Kelle schwärmt in der "WELT", es habe noch nie eine emanzipiertere First Lady als sie gegeben. Leider befindet sich der Rest des Artikels hinter einer paywall,
aber ich darf zitieren, denn Birgit Kelle gerät vollkommen aus dem Häuschen:
"Ich liebe Melania Trump. Nicht nur für den spektakulären Auftritt, den die First Lady in Saudi-Arabien hinlegte. Sie ist die emanzipierteste Präsidentengattin, die das Weiße Haus in der Neuzeit gesehen hat." ... und weiter:
"Ich bin sicher, jeder einzelne dieser saudi-arabischen Prinzen kennt auch die Fotos ohne Hosenanzug und goldene Gürtelschnalle. Melania Trump, Gattin des aktuell meistgehassten Politikers weltweit, stieg mit gewohnt perfekt wehenden Haaren statt mit Kopftuch und mit Hosenanzug statt örtlich angemessener, weiblicher Standardsackkleidung beim Staatsbesuch aus der Präsidentenmaschine – und beweist damit einmal mehr: Sie ist die wahre feministische Avantgarde"
Bildnachweis: screenshot WELT 23.05.2017
Und das ist natürlich voll revolutionär und krempelt die Welt um, oder so ähnlich:
"Und hat damit scheinbar ganz nebenbei weit mehr für die Rechte der Frauen im islamischen Kulturkreis getan als andere Politikerinnen, die sich in heimischen Gefilden gerne als Vorkämpferinnen von Frauenrechten feiern lassen, dann aber wegducken, wenn es ans Eingemachte geht."
Styling-Fragen
Kelle kann sich dabei nicht verkneifen, wieder gegen Claudia Roth und Angela Merkel auszuholen - und von der Karriere-Juristin Michelle Obama oder anderen durchaus emanzipierten First Ladies schweigt sie dröhnend laut.
Arab News, die - neben der Saudi-Gazette, die einflußreichste englischsprachige saudische Zeitung, zeigt auf ihrer Website sämtliche Kolumistinnen unbekopftucht - auch die, hinter deren türkisch und arabisch klingenden Namen man Musliminnen vermuten muß. Somit muß der Phantasie hinter einem FB-Post, die vermutete, unbekopftuchte Damen in Saudi-Arabien würden geköpft, gesteinigt oder zumindest ausgepeitscht, eine Absage erteilen. Nichts an dem!
Noch mehr Styling-Fragen
Wie man im ersten Foto sehen kann, braucht die einheimische "Standardsackbekleidung" zu der auch europäische Designer wie Dolce & Gabbana, Lagerfeld, Dior etc. mittlerweile beitragen, den Vergleich mit Melanias Outfit nicht zu scheuen. Die junge Dame oben auch nicht.
Das obige Foto stammt aus einem Arab-News-Artikel. Es handelt sich um die Besitzerin einer Dschiddaer Werbeagentur, "Trendy Sketch", Nahed Andijani. Wie man links auf dem Bild sieht, das ich von ihrer FB-Seite gefischt habe, kann sie auch Melania. Und - die Islamkritiker müssen jetzt ganz stark sein- auf ihrer fb-Seite hat sie noch mehr Bilder von sich ohne Kopftuch. Andijani versteht sich als Fashonista und Modebloggerin und ist, wie schon erwähnt, die Chefin einer Werbeagentur.
Arab News schrieb über Andijanis Entzücken. Zu Arab News sagte sie:
>>"Als ich die Bilder von ihrer Ankunft sah, und wie sie mit ihrem züchtigen Outfit unserer Kultur Respekt erwies, dachte ich noch, das sieht ja genau aus wie meine Abaya. Sie trug einen goldenen Gürtel, ich eine goldene Rose, und das sah so gleich aus." Andijani gab ihrer Begeisterung Ausdruck, daß Melania ihren Modegeschmack teile. Die First Lady sei sehr modebewusst."<<
Bildnachweis: Nahed Andijani, facebook
Respekt und Waffendeals
Auf dem Flughafen Dschidda habe ich auch mehrere junge Damen ohne Kopftuch gesehen. Aber das Highlight war No-Kopftuch (unterer Bildrand, rote Jackee) 2009 auf dem Gelände der Prophetenmoschee.
Melanias Outfit hatte durchaus eine Funktion, die in Saudi-Arabien durchaus erkannt wurde: der saudischen Kultur Respekt zu erweisen. Die saudischen Medien haben das erkannt und auch gewürdigt. Wer gute Deals einfahren will, weiß, daß er seine Gesprächspartner gewogen stimmen muss. Trump und seine Frau haben das verstanden und genau danach gehandelt uns wurden mit einem perspektivisch 370 Milliarden schweren Waffendeal belohnt, dessen erste, 110 Milliarden schwere Tranche von First Schwiegersohn, Jared Kushner, in trockene Tücher gebracht wurde. Das sollte das Gedöns ums Kopftuch übertönen und auch, daß die Saudis damit Trump und Kushner vermutlich den A*** gerettet haben, denn Kushner steht anscheinend im Verdacht, ein besonders dickes Bindeglied zu Putin & Co. zu sein. Hat wieder mal geklappt, weltweit.
Bildnachweis: Prophetenmoschee Medina, eigenes Archiv