Eine arabische Feministin: Königin Iffat von Saudi-Arabien (1916-2000)

Für dieses Portrait der Ehefrau von König Faisal von Saudi-Arabien habe ich mehrere Quellen herangezogen.

 Königin Iffat, mit vollem Namen, Iffat bint Muhammad bin Abdullah al-Thunayan, Witwe des ermordeten Königs Faisal, war die erste Königin der Al-Saud, die in der Öffentlichkeit auftrat, wichtige Reformen anstieß, Schulen für Mädchen und Jungen sowie eine Universität gründete,weibliche Staatsgäste empfing und Europa und die USA bereiste. Von ihrem Mann wurde sie stets unterstützt.

Der amerikanische Orientalist Joseph A. Kechichian hat über sie eine Biographie geschrieben, die er in dem unten eingebundenen Video vorstellt. Dswegen habe ich meine Übersetzung mit weiteren Informationen von ihm ergänzt. Er schreibt, sie sei eine Pionierin gewesen, die "den Träumen der saudischen Frauen Flügel verliehen" habe. Ich denke, sie ist eine Persönlichkeit, die es wert ist, daß sich auch Westler*innen mit ihr beschäftigen. Ihre Töchter und Enkelinnen, aber auch viele andere Frauen in Saudi-Arabien führen heute ihr Vermächtnis fort.

Königin Iffat besucht eine Mächenschule; wikimedia commons

Iffat Al Thunayan (Arabisch: عفت الثنيان‎‎, 1916 – 17. Februar 2000), auch "Effat" geschrieben, war die prominenteste der vier Ehefrauen von König Faisal. Gelegentlich wird sie auch Königin Iffat, Amira Iffat oder Prinzessin Iffat genannt. Sie ist bekannt für ihre Bemühungen um die Erziehung in Saudi-Arabien. Sie hat die erste, die Modellschule für Jungen und Mädchen, 1943 in Taif und das erste Mädchencollege in Saudi-Arabien, das Dar-al-Hanan, 1954 gegründet.

Ein hörenswerter Vortrag von Joseph A. Kechichian über die Königin.

 

 

Leben und Erziehung im Osmanischen Reich

Iffat al-Thunayan gehörte zur al-Thunayan-Nebenlinie der Al Saud und wurde 1916 in Konstantinopel geboren.

Iffats Vater, Muhammad bin Saud al-Thunayan war ein osmanischer Armeeoffizier. Er fiel irgendwann zwischen 1918 und 1923 als Soldat der Osmanen. Ihre Mutter, Asia, war eine Türkin von entweder ungarischer oder tscherkessischer Abstammung. Iffat hatte einen Vollbruder, Zaki, und zwei Halbbrüder, Kamal Adham und Muzaffer Adham.

Iffat wurde in Istanbul unter der Aufsicht ihrer Tante mütterlicherseits. Jawhara bint Abdullah Al-Thunayan erzogen.

Diese Tante, Jawhara, war behindert und an den Rollstuhl gefesselt und benötigte intensive Hilfe. Ihr Schicksal begründete Iffats Empathie für behinderte Menschen und führte zur Gründung der ersten Hilfseinrichtungen für Behinderte. 1925 unternahmen die Beiden die Pilgerfahrt, bei der Iffat ihre Tante ebenfalls unterstützt hat. 

Noch heute sind die beiden Heiligen Moscheen, besonders die Kaaba ausgesprochen behindertenfreundlich.

Bildnachweis: Eines der Rollstuhl-Areale an der Ka'aba. Eigenes Archiv.

Iffats Familie war sehr arm. So ging sie mit Schuhen zur Schule, die sie, da die Sohlen fehlten, mit Papier ausstopfen musste. Sie schloss ihre Ausbildung bereits im Alter von 16 Jahren mit einem Lehrerinnen-Diplom ab.

Wegen des Sturzes des Osmanischen Reichs kehrten sie und ihre Familie nach Saudi-Arabien zurück. 1925 bat Iffats Familie für sie um finanzielle Unterstützung, damit sie die Pilgerfahrt nach Mekka durchführen könne.

Ihr Urgroßvater war in den 1840er Jahren der Gouverneur von Riad. Ihr Großvater wurde nach dem Zusammenbruch des zweiten saudischen Staats, der von 1824 bis 1891 bestand,(als Gefangener) ins Osmanische Reich gebracht. Ihr Onkel väterlicherseits, Ahmed Al-Thunayan, (1889-1921) war einer der Berater von Ibn Saud. 1919 hatte er Iffats späteren Ehemann. Faisal, *1906, bei der ersten Auslandsreise eines Mitglieds der Familie al-Saud begleitet, als der Teenager auf Einladung von König George V. London besuchte. Eines der Themen war die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Spanischen Grippe, deren Ausläufer bereits den Nejd, also einen Teil des späteren Königreiches und Heimatproviz der al-Saud erreicht hatten.

 

Iffats Hochzeit mit Faisal und ihre Familie

1931 traf Prinz Faisal Iffat das erste Mal in Mekka, als sie sich, zusammen mit ihrer Tante,  auf Pilgerfahrt befand. Prinz Faisal, damals Vizekönig des gerade eroberten Hijaz, verliebte sich sofort in sie. Zunächst brachte er sie mit ihrer Tante in die Türkei zurück. Eine andere Version berichtet, sie hätten sich 1932 das erste Mail in Istanbul getroffen, als Faisal - inzwischen Aussenminister - die Stadt nach einem Besuch der Sowjetunion ebenfalls besucht habe. Eine weitere erzählt, Faisals Vater, König Abdal Aziz, der Gründer des dritten saudischen Staates, habe Iffat eigentlich heiraten wollen. Es ist nicht sicher, welche Version stimmt - sicher ist jedoch, daß die Beiden 1932 in Dschidda heirateten und danach in Mekka lebten.

 

Besonders die Töchter führen das Vermächtnis fort

Es wird weiter berichtet, daß zunächst niemand die Sprache des Anderen, also Iffat kein Arabisch und Faisal keinTürkisch, verstand, das sie sich aber gegenseitig beibrachten. Sie hatten neun gemeinsame Kinder. Iffat lernte, fliessend Arabisch zu sprechen, doch verlor nie ihren türkischen Akzent. Deswegen wurde sie in der Familie anfangs auch "at-Turkiyya", die Türkin genannt. Das war für sie jedoch kein Problem, vier ihrer ältesten Kinder lernten Türkisch von ihr.
Die Söhne und Töchter des Paares sind sehr gebildet: die Söhne sind Absolventen von Princeton, Harvard, Georgetown, Sandhurst  und Cranwell. Für ihre Töchter verpflichtete sie ausländische Hauslehrer: Die Töchter wurden später zusätzlich in der Schweiz erzogen. Das war ein deutlicher Kontrast zu den Kindern von Faisals Bruder Saud. Von dessen 107 Kindern schlossen nur 6 eine höhere Schule ab. Die bekanntesten ihrer Kinder sind: Saud (von 1975 bis 2015 Aussenminister), Turki (von 1977 bis 2001 Geheimdienstchef), Haifa, (engagiert sich in der Zahra Breast Cancer Association und im Leitungsgremium der Effat University. Ein in der Folge von nine-eleven gegen sie erhobener Verdacht der Terrorfinanzierung

Sara (engagiert sich ebenfalls für die Belange von Frauen, wurde schon mehrfach ausgezeichnet und ist eines von 30 weiblichen Mitgliedern der Beratenden Versammlung)und Lolowah. Prinzessin Lolowah setzt sich ebenfalls massiv für Frauenrechte ein und gilt das als öffentlich sichtbarste weibliche Mitglied der Königsfamilie. Sie war schon häufig Mitglied saudischer politischer und Wirtschaftsdelegationen und erhielt 2009 einen Ehrendoktor des Mount Holyoke Colleges, einer der sieben Frauenuniversitäten der USA, das den Aufbau der Effat University aktiv unterstützt hat. Lolowah hat schon 2006 das Fahrverbot für Frauen öffentlich kritisiert.

Bildnachweis: Prinzessin Lolowah auf dem Panel des World Economic Forum.

 

Prinzessin Lolowahs Rede in Mount Holyoke anlässlich der Verleihung ihrer Ehrendoktorwürde vor der Abschlussklasse 2009.

 

 

Königin Iffat

Der Königinnen-Titel war informell. Sie bekam ihn aufgrund ihrer Beliebtheit im Land.. Ab 1967 erschien sie zu offiziellen Ereignissen in der Öffentlichkeit. Sie wurde am 5. Jahrestag der "Saudi Arabian Renaissance Society" - einer Gesellschaft in Riad die saudischen Frauen handwerkliche Fähigkeiten vermittelte und bedürftige Familien unterstützte.- deren Ehrenpräsidentin. Ihr "Saudi Renaissance Movement" sponsorte unentgeltliche Kliniken und Literaturklassen für Frauen.

1954 gründete  sie die ersten beiden Mädchencolleges des Landes, das Dar al-Hanan in Dschidda und das Kulliyat al-Banna in Rias. Beide Gründungen hatten letztendlich zunächst jedoch keinen Erfolg, was sich jedoch änderte, als sie ihre Töchter dort anmeldete und das weitere weibliche Mitglieder der Königsfamilie nachzog.

Bericht über das Dar al-Hanan von 1966.

 

Exkurs: Was die 1999 gegründete Effat-Universität über ihre Namensgeberin schreibt:

Header der Website der Universität

Die  Effat University, akademisch anerkannt  und international vernetzt, ist die erste private Instituiton für die höhere Bildung von Frauen in Saudi-Arabien ( Anm. DS: mittlerweile schon lange nicht mehr die einzige. Wir haben letztes Jahr die Frauenuniversität von Medina besucht).
Alles, was wir tun hat seine Wurzeln in der lebenslangen Vison und Arbeit von Königin Iffat, die als Gründungsmutter der Erziehung im Königreich angesehen wird. Hiermit hat sie den Boden darür bereitet, daß Erziehung als einer der Eckpfeiler gesehen wird, auf die unsere Nation aufgebaut ist.

Königin Iffat glaubte leidenschaftlich daran, daß Erziehung ganzheitlich sein sollte und mit traditionellen islamischen Werten und Respekt für alle Menschen einhergehen sollte. Sie hielt viel von Aktivitäten auch außerhalb des Lehrplans als Teil einer abgerundeten Erziehung und hatte verstanden, daß daneben sowohl der technische Fortschritt als auch das Lernen von und Teilen des Wissens mit internationalen Partnern wichtig ist.

Ihr Erbe von Exzellenz und ihre Leidenschaft für Erziehung lebt heute in der  Effat University weiter.

 

Wir stellen eine geschützte, sichere Umgebung zur Verfügung, in der unsere Studentinnen inspiriert und motiviert werden, die gleiche Leidenschaft für lebenslanges Lernen, zu entwickeln und sie von Generation zu Generation weiterzugeben.

Mit Königin Iffats Vermächtnis als unserer Richtschnur stellen wir sicher, daß unsere akademischen Programme innovativ und stimulierend sind, unsere weltweiten Partnerschaften - mit Universitäten, Firmen uns Organisationen - unseren Studentinnen neue Perspektiven zeigen und unsere Aktivitäten neben und außerhalb des Lehrplans ihnen neue Horizonte eröffnen.

Zu ihren umfassenden philanthropischen Aktivitäten gehörte die soziale Unterstützung für Frauen. In den 1960er Jahren gründete sie die ersten beiden sozialen Einrichtungen in Saudi-Arabien - Women's Welfare Association in Jeddah und Al Nahdah Women's Welfare Association in Riad. Diese Programme sind noch heute verfügbar.

 

Königin Iffat starb am 17. Februar 2000, im Alter von fast 84 Jahren an den Folgen einer Operation am offenen Herzen und wurde in Riad begraben. Ihre Töchter und Enkelinnen, aber auch viele andere Frauen führen ihr Vermächtnis fort.