Mittlerweile ist es ja schon eine Binsenweisheit, daß, durch die Erfolge der Nationalisten/Rechtspopulis-ten und ihren angestrebten Zusammenschluss auf europäischer Ebene, Werte, zu
deren Förderung und Verteidigung der Europarat geschaffen wurde - wie Rechtsstaatlichkeit, Schutz der Menschenrechte und die Unabhängigkeit der Gerichte - werden immer stärker herausgefordert;
die Möglichkeit, sich an internationale Einrichtungen zu wenden, um Einspruch gegen rechtswidriges Handeln von Regierungsbehörden einzulegen, wird in Frage gestellt. Russland steht an der Spitze
dieser Entwicklung, doch Russland ist es nicht alleine. Mit dem Salvini-Bild habe ich das verbildlicht.
Um zu warnen und sich dem entgegenzustellen, haben Juristen, Aussenpolitik-Experten und Menschenrechtler eine Petition verfasst. Im vergangenen Jahr hatte eine solche Petition schon einmal
Erfolg. Jetzt stehen wiederum zwei kritische Abstimmungen an: am 3.6. in einem Komitee, am 25. Juni in der Vollversammlung. Der Text dieser Petition spricht für sich selber. Ich bitte nicht nur
darum, sie zu zeichnen. Teilt sie in den Sozialen Netzwerken und sprecht mit VIPs, Politiker*innen, Journalist*innen und und sonstigen Entscheider*innen. Es ist zwar nicht mehr viel Zeit,
aber was im vergangenen Jahr schon einmal Erfolg hatte, kann auch dieses Jahr zielführend sein.
Bildnachweis: huffingtonpost.it
Bitte zeichnen - Petition von Juristen, Menschenrechtlern und Außenpolitik-Experte n: Stoppt die Schwächung des Europarates!
Länder, die Menschenrechte verletzen, Demokratie und Rechtsstaat abschaffen, sollten auch weiterhin mit Sanktionen rechnen müssen.
LIEBE BÜRGER EUROPAS,
In den meisten Teilen der Welt besitzen Menschen, deren Rechte durch ihre Regierung verletzt werden, lediglich die Möglichkeit, über das nationale Gerichtssystem Rechtsbehelf einzulegen. Da
lokale Gerichte oft nicht von der Regierung unabhängig sind, gibt es in vielen Fällen keine Garantie, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird.
Dank des Europarats besitzen wir Bürger Europas die einzigartige Möglichkeit, uns an eine internationale Institution, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), zu wenden, wenn wir
in unserem eigenen Land keinen wirksamen Rechtsbehelf erhalten. Dies ist ein unschätzbarer Mehrwert.
In jüngster Zeit bedrohen nationalistische Tendenzen den Fortbestand dieser Errungenschaft: Werte, zu deren Förderung und Verteidigung der Europarat geschaffen wurde - wie
Rechtsstaatlichkeit, Schutz der Menschenrechte und die Unabhängigkeit der Gerichte - werden immer stärker herausgefordert; die Möglichkeit, sich an internationale Einrichtungen zu wenden, um
Einspruch gegen rechtswidriges Handeln von Regierungsbehörden einzulegen, wird in Frage gestellt.
Russland befindet sich ohne Zweifel an der Spitze dieser Entwicklungen. Als
Voraussetzung für seine Mitgliedschaft musste sich das Land zu einigen wichtigen Grundregeln verpflichten - von denen es jedoch viele gebrochen hat. Darunter:
- Russland hat unter eindeutiger Verletzung von Artikel 46 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ein Gesetz verabschiedet, das dem Verfassungsgericht das Recht einräumt, zu entscheiden, welche Urteile des Europäischen Gerichtshofs in seinem Hoheitsgebiet Anwendung finden. Kein anderes Mitglied des Rates hat eine ähnliche Maßnahme getroffen.
- Russland hat das 6. Protokoll der EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe nicht ratifiziert.
- es hat die ukrainische Krim besetzt. Dies führte zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Meinungs- und Assoziationsfreiheit sind so gut wie abgeschafft. Krimtataren werden besonders häufig angegriffen. Zahlreiche Bürger- und Menschenrechtsaktivisten werden mit massiven Anklagepunkten konfrontiert. Alle diese Verstöße wurden von der Generalversammlung der Vereinten Nationen, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE), sowie von zahlreichen angesehenen Menschenrechtsorganisationen verurteilt. Der Internationale Gerichtshof hat Russland ebenso dazu verpflichtet, bestimmte Menschenrechtsverletzungen auf der besetzten Krim zu stoppen und rückgängig zu machen, ohne dass Russland dem Folge leisten würde.
- Es besetzt und / oder leistet weiterhin militärische Hilfe für die abtrünnigen Regionen in der Ostukraine und in Georgien. OSZE-Beobachter haben direktes militärisches Engagement Russlands in der Ostukraine bestätigt - zusätzlich zur dem russischen BUK-Raketenwerfer, der für den Abschuss von Flug MH17 verantwortlich ist. Der Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag bestätigt "das Bestehen eines internationalen bewaffneten Konflikts in der Ostukraine".
Alle diese Maßnahmen wurden vom russischen Parlament entweder unterstützt oder ausdrücklich gebilligt, obwohl sie den Verpflichtungen zuwiderliefen, die Russland zum Zeitpunkt des Beitritts zum Europarat eingegangen war.
2014 reagierte die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) auf diese zahlreichen Verstöße, indem sie der russischen parlamentarischen Delegation das Stimmrecht entzog. Als versöhnliche Geste erlaubte sie den russischen Delegierten, weiterhin an den Sitzungen teilzunehmen, in der Hoffnung, dass diese bereit wären, konstruktive Diskussionen zu führen. Anstatt ihre Regierung zu drängen, die Verstöße zu beenden, beschlossen die russischen Delegierten jedoch, überhaupt nicht mehr an der PACE teilzunehmen. Es sollte dabei erwähnt werden, dass sich das Ministerkomitee des Europarates bei der Prüfung der Lage auf der Krim im Jahr 2014 darauf beschränkt hatte, die russische Aggression zu verurteilen, ohne weitere Maßnahmen zu ergreifen.
In den letzten zwei Jahren hat Russland seinen jährlichen Beitrag von 33 Mio. EUR zum Haushalt des Rates nicht eingezahlt. Das Land droht nun, sich vollständig aus dem Rat zurückzuziehen, sofern nicht das Stimmrecht seiner Delegation wiederhergestellt wird. Es sollte jedoch betont werden, dass die Mitgliedschaft im Rat für das Selbstwertgefühl Russlands von entscheidender Bedeutung ist, so dass große Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Drohung bestehen.
In der Zwischenzeit setzt Russland seine aggressive Taktik fort: Es schloss die gemeinschaftlich kontrollierte Straße von Kertsch unter Verstoß gegen internationale
Verpflichtungen und schuf Hindernisse für Schiffe, die die ukrainischen Häfen des Asowschen Meers ansteuern - bis hin zu einem Angriff auf ukrainische Schiffe, der Inhaftierung der Besatzung
dieser Schiffe, und der Weigerung, die illegal festgehaltenen Matrosen freizulassen.
Seit kurzem stellt Moskau russischen Staatsbürgern, die in den besetzten Gebieten des Donbas leben, russische Pässe aus. Dabei handelt es sich um eine rechtswidrige
Handlung, die zur faktischen Anerkennung der Region führen kann.
Die PACE hat auf die Verstöße Russlands reagiert, indem sie Resolutionen verabschiedete, in denen Russland aufgefordert wurde, die aggressiven Aktionen gegen die Ukraine rückgängig zu machen. Ebenso wurde die Aufhebung von Sanktionen untersagt, bevor diese Resolutionen umgesetzt werden. Insbesondere heißt es in der Resolution 2132 (2016), dass "nur signifikante und messbare Fortschritte bei der Umsetzung der Resolutionen 1990, 2034, 2063 dazu führen können, dass die Sanktionen gegen die russische Delegation aufgehoben werden."
Angesichts dieses Hintergrunds ist
es schockierend, dass Deutschland und Frankreich - zwei Länder, die allgemein als die stärksten Verfechter von Demokratie, Menschenrechten und
Rechtsstaatlichkeit gelten - die Initiative ergriffen haben, die PACE unter Druck zu setzen, ihre Befugnisse aufzugeben, nationale Delegationen,
die gegen die Grundprinzipien des Rates verstoßen, zu sanktionieren. Sie behaupten, dass dies notwendig sei, damit Russland die Austrittsdrohung aufgeben und die Entsendung seiner Delegierten zu
PACE fortsetzen würde.
Im Anschluss an diese Initiative schlug das Ministerkomitee am 17. Mai 2019 ein Verfahren vor, demzufolge die Versammlung gemeinsam mit dem Komitee handeln muss, um irgendwelche Sanktionen zu
verabschieden. Angesichts der bisherigen Zurückhaltung des Ministerkomitees gegenüber Sanktionen gegen Länder wie Russland ist es offensichtlich, dass die Notwendigkeit gemeinsamer
Maßnahmen dazu führen wird, dass überhaupt keine Maßnahmen ergriffen werden oder dass Maßnahmen zu spät ergriffen werden.
In einer Zeit, in der die Vorzüge der Demokratie zunehmend in Frage gestellt werden, ist eine solche Schwächung der Macht des Rates, Länder zu sanktionieren, die schwerwiegend gegen seine
Grundprinzipien verstoßen, ein völlig falsches Signal. Es wird lediglich andere Mitgliedsländer dazu ermutigen, sich in Zukunft an ähnlichen Verstößen zu beteiligen.
Anstelle dem russischen Mobbing nachzugeben, hätten Deutschland und Frankreich eine Aussetzung der Mitgliedschaft Russlands im Rat wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtungen vorschlagen sollen -
eine Maßnahme, zu der dieser gemäß Artikel 9 des Ratsstatuts berechtigt war. Dies wäre eine wirklich wirksame Sanktion gewesen. Dies hätte den russischen Bürgern nicht das Recht
genommen, sich an den EGMR zu wenden, da Russland Mitglied des Rates geblieben wäre [Artikel 58 Absatz 3 EMRK].
Vor diesem Hintergrund fordern wir die PACE nachdrücklich auf, ihre Unabhängigkeit uneingeschränkt geltend zu machen - wie sie dies bereits in der Vergangenheit tat. Die PACE darf nicht auf die Befugnis verzichten, Delegationen zu sanktionieren, die gegen die Grundprinzipien des Europarates verstoßen. Die europäischen Bürger werden keine andere Entscheidung verstehen.
70 Jahre Aufbau des Europarates als wichtigster Verteidiger der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit auf unserem Kontinent dürfen nicht geopfert werden, um die
Rückkehr russischer Parlamentarier zu seiner Versammlung unter solchen Umständen zu ermöglichen.
Willem Aldershoff
Ehemaliger Abteilungsleiter, Europäische Komission,
Experte für Internationale Beziehungen, Brüssel
Michel Waelbroeck
Emeritierter Professor für Europäisches Recht
Freie Universität Brüssel,
Emeritiertes Mitglied des Instituts für Internationales Recht
u.v.a.
WENN SIE MIT DIESEM BRIEF EINVERSTANDEN SIND, ZEICHNEN SIE IHN BITTE HIER: