Nach dem Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke reibt sich so mancher die Augen und tut wieder ganz erstaunt - wie nach den NSU-Morden, wie nach dem Mord an der ägyptischen Apothekerin Marwa el-Sherbini. Jahrelang wurden AfD, Pegida & Co. von den Medien hochgeschrieben, sodaß sich die Protagonist*innen heute auf Augenhöhe sehen. Jahrelang wollte man "reden", wollte man "verstehen" - doch jene, mit denen man reden wollte, wollten garnicht verstanden werden.
Bildnachweis: Ausriß aus dem SPIEGEL und Screenshot aus einer hart aber fair-Sendung für die 55.Folie meines Vortrags.
Anfang 2015 hatte ich für die hiesige Attac-Gruppe eine Präsentation über die Begriffe "rechts" und "links" erstellt - die letztendlich fast keiner wirklich hören wollte - man war mit dem Kampf gegen TTIP beschäftigt.
Ich wollte dafür sensibilisieren, daß die Begriffe "rechts" und "links"heute nicht gleichgültig seien, im Gegenteil. Für den Kampf gegen TTIP wollte man sich mit einer Gruppe aus dem ideologischen Bereich der Montagsdemonstrationen verbinden. Als ich das in einer internen Mailingliste dann so kommentiert habe, daß ich mit solchen Leuten nicht mal zusammen aufs Klo ginge, waren alle entsetzt. Das wars dann mit mir und Attac. Ich rede jetzt aber nicht über Attac, sondern über das Appeasement, das den Rechten entgegengebracht wird.
Zur Klärung: was ist rechts, rechtsextrem, rechtspopulistisch?
Das habe ich hier mal aufgedröselt, wobei ich besonders viel von einer Arbeit des österreichischen Politologen Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv Österreichischer Widerstand profitiert
habe. Es ist Selbstbetrug, wenn man - wie jetzt im Falle des mutmasslichen Mörders des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Lübcke - von "Rechtsextrem" und "Neonazi" geredet und damit das
"Rechtspopulistisch" ausgeklammert wird, als könnte, wer kein Neonazi ist, oder wer sich als "Israelfreund" geriert, ist nicht zwingend kein Rassist und auch nicht zwingend kein Antisemit
sein.
Das hat Ibiza-Urlauber HC Strache 2010 eindrucksvoll bei einem Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem demonstriert:
Mit auf dieser peinlich-entlarvenden Reise waren die FPÖ-Mitglieder David Lasar und Andreas Mölzer. David Lasar absolvierte später einen Besuch bei Gaddafi, um ihn der Solidarität der FPÖ zu versichern. Interessanter war da schon Andreas Mölzer, einer von jenen FPÖ-Mitgliedern, die heute wieder den Anschluss an Deutschland anstreben. Mölzer fuhr eine Kampagne gegen den "jüdischen Journalisten" Karl Pfeifer, die hier nachzulesen ist. Pfeifer ist Jahrgang 1928, erlebte als 10-jähriger den "Anschluss" Österreichs mit und floh dann mit seinen Eltern ist mithin der Erlebnisgeneration zuzurechnen. Nach einem 15 Jahre andauernden Kampf bekam Pfeifer vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht und 6.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen - die musste dann nicht Mölzer, sondern die Republik Österreich. Mölzer kommentierte das so sinngemäß, dann müsse man sich wohl erneut gegen Pfeifer sammeln. Darauf habe ich für das Berliner Gemeinschaftsblog, für das ich damals geschrieben habe, einen Solidaritätsaufruf verfasst. Das kam bei einigen meiner, sagen wir mal, Gesinnungsgenoss*innen überhaupt nicht gut an: mehrere fühlten sich bemüßigt, mir schriftlich die Freundschaft zu kündigen, ein sehr bekannter, sich für links und antifaschistisch haltender Publizist "begründete" das damit, daß Pfeifer ein "Faschist" sei (daß das Bilderbuch-antisemitisch ist, muß ich wohl nicht breit ausführen), eine rief beim Herausgeber dieses Blogs an, er möge doch bitte meinen Aufruf löschen - was er nicht tat,. Wieder eine andere rief mich selber an, um mich zur Schnecke zu machen. Als ich erwähnte, daß Pfeifer ja zur Erlebnisgeneration gehöre, kam die Antwort: "Jaah, das tragen die (sic!) ja immer wie eine Monstranz vor sich her. Alle verstehen sich bis heute als links. Nun, Karl Pfeifer zählt zum antideutschen Spektrum und ist ziemlich islamkritisch unterwegs. Aber ich würde ihn jederzeit gegen alle Angriffe in Schutz nehmen, auch von vermeintlich "links". Mit solchen "Linken" hat man nichts (mehr) zu reden, die gehören ausgegrenzt, und benannt als das, was sie sind: Rechte!
Hier ist der Link zum Artikel, aus dem ich den obigen Screenshot habe. Neben der NPD, die in Treue fest zum iranischen Regime, und zu Hamas und Hisbollah, steht, gibt es auch Rechte, die sich fest an der Seite Israels und "der Juden" wähnen, allerdings damit meistens Israel und die Shoa als Wurfgeschoss gegen die - hiesigen - Muslime verwenden. Die phantasieren dann auch die israelischen Streitkräfte als bessere Wehrmacht. Kommt es allerdings zum Schwur bei Themen, bei denen man eigentlich den Muslimen einen verpassen wollte, und - absichtlich oder nicht? - somit auch die Juden traf, gab es zwei verschiedene Reaktionen: wenn Halal-Schlachtung oder Beschneidung das Thema waren, spalteten sich die angeblichen Israelfreunde in zwei Gruppen: die einen so: "Naja, die Juden sind ja auch weniger als die Moslems...", die anderen liessen gleich die Maske fallen und stellten dann fest, daß es nicht verkehrt sei, wenn die Juden auch mal einen Dämpfer bekämen. Den ersten Presseartikel, den ich gefunden habe, bei dem unterschwellig rüberkam, daß die Juden, 9 Jahre nach dem Krieg, was das Schächten betrifft, wieder eingebremst werden sollten - schließlich seien es ja nicht mehr so viele, stammt aus dem SPIEGEL vom 17.03.1954.
Und, wie in PI zu lesen, hat Ex-Theologe David Berger zur Begriffs-Unschärfe mittlerweile ausgeführt:
"Bei den Diskussionen rund um die neuesten Erkenntnisse im Mordfall Lübcke wird immer
deutlicher: Die Begriffe „rechtsradikal“ und „rechtsextrem“ wurden in den letzten Jahren -im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Rechts- so oft missbraucht, dass sie komplett unscharf geworden sind.
Planmäßig und gefördert mit Millionen an Steuergeldern wurden von Heiko Maas und den Seinen in diesem Zusammenhang die Grenzen zwischen (Liberal-)Konservativen und Rechtsextremen
verwischt."
Stimmt. Aber nicht so, wie Berger meint: es war nämlich so, daß die Begriffe "rechtspopulistisch" und "konservativ" ge- oder mißbraucht wurde, um die Begriffe "rechtsradikal" und
"rechtsextrem" aufzuweichen.
Da trifft sich die konservative Publizistin mit AfD-Frau Nicole Hochst eine Diskussion einen "Clash of Conservatives" - wie bitte?
Mittlerweile versucht man sich im Rassistenblog von PI an Abgrenzung: Frontmann Stürzenberger hat dazu einen Artikel verfasst und es gab einen Live-Talk. Anscheinend wird man etwas nervös ...
Fällt jemandem die Schreibweise auf? "National-sozialistisch", anstatt: "nationalsozialistisch". Was soll uns das sagen? Es waren Linke, Sozialisten. Aber das nur am Rande. Übrigens : hier sind drei Kommentare von heute unter dem Artikel:
"Man muss mit den Leuten reden" - nein, muß man nicht
Jetzt mache ich mal einen Zeitsprung bis ins Jahr 2014/15. Damals wollte nicht nur Frau Wagenknecht unbedingt "reden" sondern auch einige andere Politiker*innen. Wagenknecht versucht noch heute, AfD-Anhänger*innen und Wähler*innen "zurückzuholen". Und Gatte Oskar hat schon lange vor seiner Frau mit seinem unsäglichen "Fremdarbeiter"-Spruch den vermeintlichen Gegensatz zwischen braven, deutschen Familienvätern und "Fremdarbeitern" (ein Begriff aus dem Nazi-Vokabular) anbuchstabiert. Auch die Äusserung über "Ärzte aus dem Niger" war schon nicht mal mehr grenzwertig. Wie gesagt, Wagenknecht und Lafontaine waren es nicht alleine, aber ja mit dezidiert sozialistischem Anspruch.
Die Medien
Was mir von vorne herein sauer aufstieß: daß auch die Presse "reden" wollte. Ich erinnere mich an eine Talkshow mit Günther Jauch, zu der er auch Kathrin Oertel eingeladen hatte. Die kriegte keinen geraden Satz raus, aber er halt sie, hm, unterstützt - und natürlich waren auch die anwesenden Herren, Gauland, Thierse und Spahn, sehr rücksichtsvoll. Nur mal zur Erinnerung: sie war damals im "Orga-Team" mit Lutz Bachmann, der sich für seine nebenstehenden Äusserungen wegen Volksverhetzung verantworten musste und hat versucht, Nebelkerzen zu werfen - ‚Viehzeug‘, ‚Dreckspack‘ und ‚Gelumpe‘ weisen wir (Pegida) aus Schärfste zurück - letztendlich wurde Bachmann wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 9.600 Euro verurteilt.
Über Oertels Auftritt hier, hier, und hier. Und der Focus schreibt dazu: - "Den besten Job machten die Polit-Profis Spahn und Thierse: Sie luden die Demonstranten mehrfach zum Dialog ein und nahmen der Pegida damit den Wind aus den Segeln."
Nein, sie machten nicht "den besten Job", sie lieferten die bislang vermisste Augenhöhe. hat "Reden" seitdem geholfen? Doch wohl eher nicht...
Auch ZDF-Talkfrau Maybritt Illner mochte auf Oertel nicht verzichten. Im Januar bei Jauch, im Mai bei Illner zum Thema: "Wutbürger, Parteien, Populisten - Wer spricht für das Volk?" vom 21.05.2015. Das ist also eine Frage? Und wer oder was ist bitte das Volk? Wer sich die Sendung noch mal antun will, hier lang.
Und im Oktober 2015 meinte Dunja Hayali, zum ersten Mal auf einer AfD-Kundgebung aufkreuzen zu müssen. Sie fuhr auch noch ein zweites Mal und hat mittlerweile auch der Jungen Freiheit ein Interview gegeben. Das Ergebnis kann hier bestaunt werden.
Wenn ich mir die Körpersprache ansehe, schüttelt es mich. Auf Kölsch heisst das: et Dunja es för nix fies...
Fortsetzung folgt.